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Auflösung der 1. Duma

Die Auflösung der Duma erfolgte unter folgenden Umständen: Am 20. Juni/3. Juli, als die Debatten über die Agrarfrage in der Duma in vollem Gange waren, veröffentlichte die Regierung eine Mitteilung, deren zentraler Punkt die Feststellung der Unantastbarkeit der bestehenden Agrarordnung war. Als Antwort darauf trat die Duma in die Besprechung des „Aufrufes an das Volk“ ein und gab gleichzeitig ihre Absicht kund, die Ausarbeitung eines neuen Bodengesetzes in Angriff zu nehmen, was den unmittelbaren Anlass zur Auflösung der Duma gab. Am Tage vor der endgültigen Erörterung des „Aufrufes“, in der Nacht vom 8./21. zum 9./22. Juli 1906 wurde das Taurische Palais geschlossen und am nächsten Tage erschien das Manifest über die Auflösung der Duma. Die Regierung, die nicht wusste, wie die Auflösung von den breiten Massen aufgenommen werden würde, betonte in dem Manifest, dass das Gesetz über die Errichtung der Duma selbst unverändert bestehen bleibe, und dem Senat wurde denn auch am gleichen Tage vorgeschlagen, die neue Duma zum 20. Februar/5. März 1907 einzuberufen. Die tiefere Ursache der Auflösung der ersten Duma lag darin, dass sie die ihr von der zaristischen Regierung zugewiesene Aufgabe nicht erfüllte. Nach den Absichten der Regierung sollte sie ein Blitzableiter zur Entladung der im Lande angesammelten revolutionären Energie sein. Durch diesen Blitzableiter sollte die Einheitsfront der Revolution zerschlagen und sollten die breiten Massen des Kleinbürgertums von der Revolution losgerissen, sowie die Aufmerksamkeit der Bauernschaft von der revolutionären Lösung der Agrarfrage abgelenkt werden. Aber die nach der Niederwerfung des Dezemberaufstandes geschwächte revolutionäre Bewegung in den Massen stieg gerade in der Zeit der 1. Duma wieder an. Gerade im Mai-Juni 1906 fand die Bauernbewegung eine größere Verbreitung als sogar im Jahre 1905. Das Bestehen der Duma konnte unter diesen Verhältnissen für den Absolutismus nicht von Vorteil sein, denn die Duma konnte nicht umhin, die Agrar- und Bauernfrage zu behandeln, um so mehr als die Bauernbewegung anwuchs und in der Duma neben den reaktionären Großgrundbesitzern und der Kadettenmehrheit auch die Vertreter der Bauern, die Trudowiki, auftraten. Der oben erwähnte „Aufruf an das Volk“ fiel übrigens so wenig revolutionär aus, dass bei der endgültigen Abstimmung die Sozialdemokraten dagegen stimmten, 101 Trudowiki sich der Abstimmung enthielten und der Aufruf mit nur 124 Stimmen der Kadetten angenommen wurde. Die Stellung zur Auflösung der Duma konnte bei den beiden (nach dem IV. Parteitag) vereinigten Teilen der SDAPR nicht einheitlich sein. Die Menschewiki begannen schon damals auf den Weg des Kampfes für Reformen abzuschwenken. Schon in ihren Resolutionsentwürfen auf dem IV, (Vereinigungs-) Parteitage stellten die Menschewiki neben verschiedenen Phrasen über die Möglichkeit eines neuen Aufschwungs der Revolution die liberale Losung für „die Erweiterung der politischen und Bürgerrechte des Volkes und die Erringung neuer Rechte“ auf. Darum war das (nach dem Vereinigungsparteitage) menschewistische ZK nicht imstande, im Zusammenhang mit der Auflösung der Duma revolutionäre Losungen aufzustellen. Es rief zum Kampfe für die Wiederherstellung der Duma, zur „Verteidigung der Duma“ auf und hing an diese liberalen und Kadettenlosungen die Worte „zum Zwecke der Einberufung der Konstituante“ an. Lenin, der gegen diese Haltung des menschewistischen ZK den vorliegenden Artikel schrieb, beschäftigte sich einen Monat später, nach den Aufständen in Sveaborg und Kronstadt, in dem Artikel „Vor dem Sturm“ neuerlich mit dieser Frage und wandte sich von neuem mit den gleichen Aufforderungen an die Partei und das Proletariat. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 3, Anm. 108]

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