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Lenins Charakteristik der neuen ökonomischen Politik

Lenins „Rede über die Naturalsteuer“ am 9. April 1921 auf der Versammlung der Sekretäre und verantwortlichen Vertreter der Zellen der KPR(B) der Stadt Moskau und des Moskauer Gouvernements war eine seiner ersten Reden, in denen er eine entfaltete Charakteristik der neuen ökonomischen Politik gab.

In seinen vorhergehenden Reden – dem politischen Bericht auf dem X. Parteitag und dem Bericht über die Naturalsteuer auf demselben Parteitag – hatte Lenin noch keine solche Charakteristik gegeben. Im Bericht über die Naturalsteuer brachte er mehrmals den Gedanken zum Ausdruck, dass wir bei der Einführung der Naturalsteuer und der neuen ökonomischen Politik noch nicht wissen können und nicht wissen, was wir im nächsten Jahr tun werden, welche Formen diese Politik in der nächsten Zeit annehmen wird. Lenin empfahl damals als unumstößliche Regel, in der Provinz nicht zu klügeln, sich nicht zu übereilen und mehr die praktische Erfahrung zu studieren. „Erprobt dies, erprobt jenes, studiert praktisch, an Hand der Erfahrung, sprecht euch dann mit uns aus und sagt, was euch gelungen ist“ – sagte Lenin.

In demselben Referat sagte Lenin, dass das Leben sehr buntfarbig und dass es eine sehr schwere Aufgabe sei, Übergangsmaßnahmen zu suchen.

In der vorliegenden Rede über die Naturalsteuer, die nahezu einen Monat nach dem X. Parteitag gehalten wurde, spricht Lenin schon vollständiger und konkreter über die neue ökonomische Politik und entwickelt die auf dem X. Parteitag geäußerten Gedanken weiter.

Als Lenin diese Rede hielt, wurden drei neue Dekrete erlassen: ein Dekret des Rates der Volkskommissare über Naturalprämien für die Arbeiter, ferner ein Dekret „Über die Regelung der Entlohnung der Arbeiter“ und ein Dekret „Über die Konsumgenossenschaften“.

Diese Dekrete waren, wie es in der „Prawda“ am Tage ihrer Veröffentlichung hieß, durch einen einheitlichen Gedanken miteinander verbunden: sie dienten den Werktätigen, ihren Interessen, sie bezweckten „die Organisierung der Produktion und Verteilung“.

In der „Prawda“ wurde darauf hingewiesen, dass auf der Grundlage und unter dem Einfluss dieser Dekrete die Produktivität der Arbeit und die Erzeugung von Produkten steigen werde, weil der Arbeitslohn vom Umfang des erzeugten Produkts abhängen wird.

Diese drei Dekrete bildeten eine Ergänzung zum Dekret über die Naturalsteuer.

Während der Übergang zur Naturalsteuer den Bauern eine Erleichterung brachte, indem er ihnen Überschüsse an landwirtschaftlichen Produkten beließ, war der Sinn der Dekrete über die Naturalprämien der, diese Überschüsse nicht in die Hände der Aufkäufer und Spekulanten geraten zu lassen, sondern sie durch die Organe der Konsumgenossenschaften unmittelbar den Arbeitern zuzuführen, im Austausch gegen die von ihnen erzeugten Produkte. Diese Dekrete schufen einen Anreiz für die Steigerung der Industrieproduktion, für die Hebung der Produktivität der Arbeit und zeichneten die konkreten Formen des Warenaustausches zwischen Stadt und Land vor, wodurch sie das Bündnis der Arbeiter mit der Mittelbauernschaft festigten und die Voraussetzungen für den Wiederaufbau der Großindustrie schufen.

Lenin betont in der vorliegenden Rede über die Naturalsteuer alle diese Aufgaben, im Besonderen die Aufgaben in Bezug auf die Großindustrie. An Hand des Beispiels von Iwanowo-Wosnessensk zeigt er auf, wie langsam dieser Wiederaufbau noch vor sich geht, und verbindet zu einem Ganzen die Aufgaben auf dem Gebiet der Industrie mit den Aufgaben des Übergangs zur Naturalsteuer und der Zulassung des Warenumlaufs als Vorbedingungen für den Wiederaufbau und die Entwicklung der Großindustrie. Gleichzeitig umreißt er mit aller Klarheit die allgemeinen Ziele des Überganges zur Naturalsteuer und die Aufgaben der ganzen neuen ökonomischen Politik. Unter Hinweis auf dieses Ziel beantwortet Lenin in seiner Rede die von ihm eingangs aufgeworfene Frage: „Wovon und wozu vollziehen wir hier einen Übergang?“. Das Ziel ist, über die Naturalsteuer, über die neue ökonomische Politik, im Prozess der konsequenten Entwicklung und des Kampfes, zu richtigen „ökonomischen Beziehungen“ zwischen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft, zu einem richtigen Produktenaustausch zwischen Stadt und Land zu kommen, auf dessen Grundlage die „zum Sozialismus übergegangene Wirtschaft des Landes“ aufgebaut werden kann, und aus der kleinen Bauernwirtschaft eine „gesellschaftliche landwirtschaftliche Großwirtschaft“ zu organisieren. Die Kollektivierung des Dorfes, zu der die Sowjetunion jetzt auf Grund der neuen ökonomischen Politik gelangt […] In der Broschüre „Über die Naturalsteuer“ […] formuliert Lenin dieselben Gedanken folgendermaßen: „Die Naturalsteuer ist eine der Formen des Übergangs von einem durch die äußerste Not, durch Ruin und Krieg erzwungenen eigenartigen ,Kriegskommunismus' zu einem geregelten sozialistischen Produktenaustausch. Dieser aber ist seinerseits eine der Formen des Übergangs vom Sozialismus mit Eigentümlichkeiten, die durch das Vorherrschen der Kleinbauernschaft in der Bevölkerung verursacht sind, zum Kommunismus“. […] [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 9, Anm. 42]

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