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Agrargesetzgebung Stolypins

Die Stolypinsche Agrarreform zielte ab auf die Schaffung einer wirtschaftlich starken Bauernschicht als Stützpunkt der zaristischen Regierung im Dorfe. Den Bauern wurde gestattet, sich ihren Landanteil ohne Zustimmung der Dorfgemeinde als Privateigentum zuerkennen zu lassen, ihn mit gewissen Einschränkungen zu verpfänden und zu veräußern; das Abteilen der Bauern von der Dorfgemeinde und ihre Ansiedlung auf einzelnen Farmwirtschaften wurde auf alle mögliche Weise gefördert. Die sich abteilenden Eigentümer erhielten die Unterstützung der Agrarbank durch Kredite usw. Es gelang dem Zarismus zwar nicht diese Reform bis zum Kriege bzw. bis zur Revolution von 1917 zu Ende zu führen, sie trug aber dazu bei, das Dorf weiter und stärker zu differenzieren, und verschärfte den Klassenkampf innerhalb der Bauernschaft. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 20.1, Anm. 50]

Mit dem „Programm Stolypins“ und der „hervorragenden“ Agrargesetzgebung Stolypins auf Grund des Artikels 87 meint Lenin jene Reihe von Gesetzen, welche die Regierung in der Zeit vom August bis zum November 1906 nach der Auflösung der I. Reichsduma herausgab. Im Artikel 87 des Grundgesetzes des Absolutismus heißt es, dass die Regierung im Falle der Dringlichkeit Gesetze auch ohne die Reichsduma herausgeben kann, wenn diese nicht versammelt, z. B. aufgelöst oder vertagt ist; solche Gesetze müssen nachträglich der Duma zur Überprüfung vorgelegt werden. Während einer solchen Zwischenpause zwischen der Auflösung der Duma am 21. (9.) Juli 1906 und den Neuwahlen wurde am 25. (12.) August die Verfügung über die Übergabe eines Teils der Apanageländereien, d. h. der Ländereien der Familie des Zaren, zum Zweck des Verkaufs an die Bauernbank herausgegeben; durch die Verfügung vom 9. September (27. August) wurde ein Teil der staatlichen Ländereien zu demselben Zwecke der Bauernbank übergeben. Am 22. (9.) November desselben Jahres wurde ein Gesetz herausgegeben, das gegen die Abhängigkeit der Einzelbauern von der Dorfgemeinschaft gerichtet war. Dieses Gesetz verlieh den Bauern das Recht des freien Ausscheidens aus der Dorfgemeinschaft, der Übergabe ihres Bodenanteils in ihr Privateigentum und der freien Verfügung über diesen eigenen Boden. Am 28. (15.) November erschien eine Verfügung, in welcher die Bauernbank (siehe Anm. 67) angewiesen wurde, den Bauern auf das in ihr Privateigentum übergegangene Anteilland Darlehen zu gewähren. Der politische Zweck aller dieser Gesetze und Verfügungen war der, auf dem Lande eine bedeutende und feste Schicht von wohlhabenden Landwirten zu schaffen, die an der Sicherung ihres Eigentums gegen die Revolution interessiert sind und daher eine Stütze des Systems des Absolutismus und der Grundherren wären. Näheres über die Stolypinsche Agrargesetzgebung in den Artikeln „Zur Frage der (allgemeinen) Agrarpolitik der gegenwärtigen Regierung“ und „Die Agrarfrage und die jetzige Lage Russlands“ (1913) [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 3]

Warum die Politik des zaristischen Absolutismus nach der Revolution 1905—1907 als „bürgerlich-bonapartistisch“, d. h. als eine Politik ähnlich jener Napoleons I. in Frankreich nach der Revolution von 1789—1793 und Napoleons III. nach der Revolution von 1848—1849, bezeichnet werden konnte, diese Frage behandelt Lenin ausführlich in seinem Artikel „Zur Beurteilung der gegenwärtigen Lage“, der vor der Dezemberkonferenz der Partei im Jahre 1908 zur Begründung eben dieses Entwurfes der Resolution „Über die gegenwärtige Lage und die Aufgaben der Partei“ geschrieben wurde. Das bonapartistische Regime verfügte bereits nicht mehr über die alle Stütze des Feudalismus und des Grundherrentums und war daher gezwungen, eine bürgerliche Politik zu machen, zugleich aber ein gewisses Gleichgewicht der Klassenkräfte zwischen Grundherrentum und Bourgeoisie aufrechtzuerhalten. Es blieb eine Monarchie der Gutsherren (darin unterschied es sich auch von beiden napoleonischen Monarchien), aber es war auch genötigt, eine bürgerliche Politik durchzuführen und sich auf die Bourgeoisie zu stützen, um auf diese Weise sich und die Grundherren zu retten. Zugleich war es bestrebt, sich auf die vermögende Bauernschaft zu stützen. Der zaristische Absolutismus, der nach der Revolution von 1905 sich auf die Bourgeoisie stützte, suchte auch eine Stütze auf dem flachen Lande und stärkte die Oberschicht der Bauernschaft, das Großbauerntum, mit allen Kräften. Auf dem flachen Lande betrieb der zaristische Absolutismus auf seine Art, auf grundherrliche Art ebenfalls eine bürgerliche Politik, wobei er durch seine neue, die Stolypinsche Gesetzgebung, die Dorfgemeinschaft zerstörte, das Großbauerntum erweiterte und befestigte (siehe die Artikel „Die Agrarfrage und die jetzige Lage Russlands“ und „Zur Frage der [allgemeinen] Agrarpolitik der gegenwärtigen Regierung“).

Diese Politik des Zarismus auf dem flachen Lande nannte Lenin einen agrarischen „Bonapartismus“. In dem Artikel „Zur Beurteilung der gegenwärtigen Lage“ schrieb er: „So hätte auch der Agrarbonapartismus Stolypins, der in diesem Punkte von den erzreaktionären Gutsbesitzern und von der oktobristischen Bourgeoisie ganz bewusst und konsequent unterstützt wird, gar nicht entstehen, geschweige denn, sich bald zwei Jahre hallen können, wenn sich die Dorfgemeinschaft selbst in Russland nicht kapitalistisch entwickelte, wenn sich innerhalb der Dorfgemeinschaft nicht ständig Elemente bildeten, mit denen der Absolutismus sein Spiel treiben und denen er Zurufen konnte: ,Bereichert Euch!' und ,Plündere die Dorfgemeinschaft, aber unterstütze mich!'. Auf diese Weise nützte die bonapartistische Agrarpolitik des zaristischen Absolutismus nach der Revolution von 1905-1907 zum Zwecke der Festigung der Herrschaft der Großgrundbesitzer eines der Ergebnisse des Einflusses der kapitalistischen Entwicklung Russlands auf das flache Land aus, und zwar die Schichtenbildung innerhalb der Landbevölkerung, die Herausbildung einer Schicht der bäuerlichen Bourgeoisie, des Großbauerntums. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 3]

Das Agrarregime Stolypins gründete sich auf eine Reihe von Gesetzen, welche die Regierung in der Zeit vom August bis zum November 1906 herausgab, vor allem auf das Gesetz vom 22. (9.) November, das den Bauern das Recht des freien Ausscheidens aus der Dorfgemeinschaft, des Übergangs des Anteillands in persönliches Eigentum und das Recht der freien Verfügung über diesen eigenen Boden verlieh. Daher auch die Bezeichnungen Gemeinschaftsbauern (die der Dorfgemeinschaft angehören) und Einzelgehöftbesitzer, die aus ihr ausgeschieden sind. Der politische Zweck aller dieser Gesetze und Verfügungen war der, auf dem Lande eine bedeutende und feste Schicht von wohlhabenden Landwirten zu schaffen, die an der Sicherung ihres Eigentums gegen die Revolution interessiert sind und daher eine Stütze des Absolutismus und der Grundherren abgeben. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4]

Die Stolypinsche Agrar„reform“ bestand aus einer Reihe von Gesetzen, welche die Regierung in der Zeit vom August bis zum November 1906 herausgab, vor allem aus dem Gesetz vom 9./22.November, das den Bauern das Recht des freien Ausscheidens aus der Dorfgemeinschaft, der Übergabe ihres Bodenanteils und ihres Privateigentums und das Recht der freien Verfügung über diesen eigenen Boden verlieh. Auf diese Weise wurden sie Einzelbauern oder Einzelhofbesitzer, zum Unterschied von den Gemeinschaftsbauern. Der politische Zweck aller dieser Gesetze und Verfügungen war der, auf dem Lande eine bedeutende und feste Schicht von wohlhabenden Landwirten zu schaffen, die an der Sicherung ihres Eigentums gegen die Revolution interessiert sind und daher eine Stütze des Systems des Absolutismus und der Grundherren abgeben. Mit dieser Agrarreform beschäftigt sich Lenin in den Artikeln „Zur Frage der (allgemeinen) Agrarpolitik der Regierung“ und „Die Agrarfrage und die gegenwärtige Lage Russlands“. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 6, Anm. 7]

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