Die Resolutionen des Parteitages der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki)

[Nach Bote der Russischen Revolution. Organ der ausländischen Vertretung des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki) Nr. 1., 15. Sept. 1917, S. 15 f.]

I. Die jetzige Lage und der Krieg.

1. Der Krieg hat in der letzten Zeit sich zu einem alles umfassenden Weltkonflikt ausgewachsen. Auf die Bühne trat ein neuer Riese des Imperialismus und neuer Nebenbuhler in dem Kampfe um die Welthegemonie: Amerika. Unter dem Drucke Amerikas und der Alliierten wird auch China in den Krieg herein gezogen. Der Kampf der imperialistischen Mächte ist jetzt in alle Länder der Welt hineingetragen. Gleichzeitig mit dem Wachstum des Umfanges des Krieges wird er verlängert durch den Kampf der Weltbourgeoisie gegen die nahende proletarische Revolution, vermittels des Festhaltens an dem alten Regime der Militärdiktatur und Zersplitterung der Kräfte des internationalen Proletariats.

2. Die russische Revolution, das erste Auftreten der Massen, das in seinem Entwicklungsprozess in einen offenen Kampf gegen Krieg und gegen Imperialismus zu übergehen und in diesen Kampf die proletarischen Massen aller anderen Länder hereinzuziehen droht, ist ein Abgrund, der sich vor den Füßen der Imperialisten allen Länder geöffnet hat.

3. Von dem ersten Augenblick der Revolution eröffneten die Imperialisten der Ententeländer eine Hetzjagd gegen sie (das Liebäugeln mit dem entthronten Nikolaus, die Hetze gegen die Sowjets, die Verhaftungen der russischen Internationalisten usw., usw.). Dieser Angriff übergeht in eine wütende Attacke gegen die Revolution, er findet seinen Ausdruck in einem offeneren Block der Ententebankiers mit allen konterrevolutionären Kräften Russlands, in ihrer Finanzierung durch das englische Kapital, in der direkte Einmischung der Ententemächte in die innere Angelegenheiten Russlands und endlich in der Aufforderung zur Offensive, obwohl die russische Armee absolut unvorbereitet ist

4. Der Sieg der Anhänger der Offensivpolitik in Russland führte in allen Ländern zu einem neuen Sturm des Chauvinismus, zur Stärkung der imperialistischen Diktatur und zur Schaffung von Bedingungen, die die Arbeit der internationalen Sozialisten erschweren.

5. Die Oberschichten des Kleinbürgertums und des Bauerntums, der Teil der Arbeiter, der mit den kleinbürgerlichen Illusionen, die politisch durch die Parteien der Menschewiki und der Sozialisten-Revolutionäre repräsentiert sind, noch nicht gebrochen hat, stellten sich auf den Standpunkt der Offensive und wurden dadurch zu Geißeln der imperialistischen Bourgeoisie.

Auf Grund der gegenseitigen militärischen Interessen bildet sich zwischen ihnen und den Entente-Sozialimperialisten ein Bündnis, das naturnotwendig in ein Bündnis der aktiven Unterstützung des Imperialismus der Ententeländer übergeht.

6. Die russische kleinbürgerliche Demokratie erwies sich in den Parteien der Menschewiki und der Sozialisten-Revolutionäre auf diese Weise in dem Fahrwasser der allgemeinen imperialistischen Politik. In dieser Hinsicht kam es zum vollkommenem Ausgleich der Sozialpatrioten aller Länder, die in Russland, wie in allen anderen Ländern endgültig zu einfachen Agenten des Imperialismus herabgesunken sind. Auf diese Weise haben die Menschewiki und die Sozialisten-Revolutionäre dem konterrevolutionären Finanzkapital mitgeholfen, die Wirkung Russlands, als Herdes der internationalen Revolution zu schwächen.

7. Die Weiterführung des Krieges beschleunigt einerseits den Prozess der Vernichtung der Produktivkräfte, anderseits führt sie zur Starken Konzentration der Produktion und zur Zentralisierung in den Händen des militärischen Staates. Gleichzeitig führt sie durch Zerreibung der Mittelschichten, durch die Versklavung der Arbeiter, durch die absolute Verarmung der Arbeiterklasse, durch die polizeiliche Repressalien zum Anwachsen der Elemente der Revolution.

8. Die Kampagne des „Druckes" auf die Ententeregierungen, der Verständigung mit den Sozialimperialisten, den die Sowjets, die auf den Bruch mit dem Imperialismus verzichtet haben, als den Weg zum Frieden wählten, musste unbedingt, mit einem schweren Zusammenbruch enden. Dieser Zusammenbruch beweist die Richtigkeit des Standpunktes der revolutionären Sozialdemokratie, dass nur der revolutionäre Massenkampf in allen Ländern, nur die internationale politische Revolution einen demokratischen Frieden zu erkämpfen imstande ist.

9. Die Liquidierung der Herrschaft des Imperialismus stellt die Arbeiterklasse eines Landes, das als erstes die Diktatur des Proletariats und des Halbproletariats verwirklichen wird, vor eine Aufgabe der Unterstützung der kämpfenden Proletarier anderer Länder mit allen Mitteln (die Waffenhilfe einschließlich). Besonders wird Russland vor eine solche Aufgabe gestellt, wenn – was ganz wahrscheinlich ist – der neue unvermeidliche Aufschwung der Revolution die Regierungsmacht in die Hände der Arbeiter und der ärmsten Schichtendes Bauerntums legt, bevor noch der Umsturz in den kapitalistischen Ländern Westeuropas stattgefunden hat.

10. Deswegen ist für das internationale Proletariat die einzige Möglichkeit einer wirklich demokratischen Liquidierung des Krieges die Machtergreifung durch das Proletariat und in Russland durch das Proletariat und die ärmste Schichten des Bauerntums. Nur diese Klassen sind imstande mit den Kapitalisten aller Länder zu brechen und die internationale, proletarische Revolution zu fördern, die Revolution, die nicht nur dem Kriege, sondern auch der kapitalistischen Versklavung ein Ende bereiten soll.

II. Über die Vereinigung der Partei

Der Bruch zwischen dem Sozialpatrioten und den revolutionären Internationalisten in Russland, der durch die Spaltung in allen Ländern verstärkt ist, wird mit jedem Tage tiefer.

Die Menschewiki, die als Sozialpatrioten angefangen haben, sind zuletzt zu einem schändlichem Bündnis mit der konterrevolutionären Bourgeoisie angelangt und inspirieren und sanktionieren die Hetze gegen die internationalistischen Organisationen, gegen die Arbeiterpresse usw. usw. Indem sie zu Helfershelfern des russischen, wie des Ententeimperialismus geworden sind, sind sie in das Lager der Feinde des Proletariats übergegangen.

Bei dieser Sachlage ist die erste Aufgabe der revolutionären Sozialdemokratie unermüdlich vor den breitesten Masse die Judaspolitik der Menschewiki-Imperialisten zu enthüllen und sie von allen, irgendwie revolutionären Elementen der Arbeiterklasse fernzuhalten. Deswegen müssen wir als einen schweren Schlag gegen das Proletariat jeden Versuch der Vereinigung der imperialistischem mit den revolutionären, internationalistischen Elementen des Sozialismus „auf dem Wege eines Einigungs-Parteitages zum Zwecke der Schaffung einer einheitlichen Partei“ (Vorschlag, der keinen Grund unter den Füßen habenden Gruppe der Intelligenzler aus der „Nowaja Schisn") betrachten.

Der Parteitag steht auf dem Standpunkt eines vollkommenen und unwiderruflichen Bruches mit den Menschewiki-Imperialisten und spricht sich aus diesem Grunde aufs energischste gegen solche-Versuche aus.

Der Parteitag stellt dieser gefährlichen Losung der Vereinigung aller Sozialdemokraten, die Losung der Einigung aller Internationalisten, die mit den Menschewiki-Imperialisten wirklich gebrochen haben, entgegen.

Indem der Parteitag diese Einigung als notwendig und unumgänglich erachtet, ruft er alle revolutionäre Elemente auf, die organisatorische Verbindung mit den Sozialpatrioten zu brechen und sich um die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands zu sammeln.