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Organisationskomitee

OK – Organisationskomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands. Dieses Komitee wurde auf der Augustkonferenz 1912 als führendes Organ des sogenannten Augustblocks, d. h. der menschewistischen Gruppen innerhalb der SDAPR, gebildet und war bis zur offiziellen Bildung der Partei der Menschewiki deren leitendes Organ. Der Krieg hatte eine Differenzierung im OK zur Folge. Neben verschiedenen Schattierungen des Sozialpatriotismus gab es den „platonischen Internationalismus“, der durch das Auslandssekretariat des OK verkörpert wurde, das sich aus fünf Sekretären, und zwar Martow, Martynow, Axelrod, Sjemkowski und Astrow, zusammensetzte. Diese standen politisch Kautsky nahe. Mit dem Auslandssekretariat standen sowohl die linken Zentristen (die Gruppe Trotzkis mit der Zeitung „Nasche Slowo“ und die menschewistische Dumafraktion unter Führung Tschcheïdses) als auch rechte Zentristen (die Petrograder Zeitung „Rabotscheje Utro“, die Zeitung „Nasch Golos“ in Samara, einzelne Mitarbeiter der Zeitschrift „Nasche Djelo“ und das Auslandskomitee des „Bund“) in Verbindung. Dem Auslandssekretariat standen von den russischen Gruppen am nächsten die sibirischen Menschewiki (Zereteli, Woitinski, Roschkow, die Zeitschriften „Sibirski Schurnal“ („Sibirisches Journal“) und „Sibirskoje Obosrenije“ („Sibirische Rundschau“). Das offizielle Organ des Auslandskomitees waren die „Nachrichten des Auslandssekretariats des OK der SDAPR“.

An der ersten und der zweiten Zimmerwalder Konferenz nahmen als Vertreter des Auslandssekretariats des OK Martow und Axelrod teil. Sie schlossen sich der Zimmerwalder Rechten (R. Grimm u. a.) an. Die Hauptlosung des OK in der Frage des Krieges war „Friede ohne Annexionen“. In der Frage der Revolution in Russland war die Hauptlosung des OK die „Errettung der Heimat“ durch den Kampf gegen die „Regierung des Verrates“.

Diese Losung wurde erstmalig in einem Flugblatt des Auslandssekretariats des OK vom 3. September 1915 unter dem Titel „Brief an die Genossen in Russland“ („Die Aufgabe des russischen Proletariats“) formuliert. Die Fraktion Tschcheïdse, die Zeitungen „Rabotscheje Utro“ und „Nasch Golos“ wie auch ein Teil der Anhänger der Teilnahme an den Kriegsindustriekomitees akzeptierten die Formel „Errettung der Heimat“. Ein Unterschied zwischen der Losung der „Errettung“ und der der „Verteidigung“ des Landes war nicht vorhanden, was aber das OK und seine Anhänger in Russland und im Auslande nicht hinderte, einen solchen Unterschied zwischen sich und der sozialpatriotischen Gruppe „Samosaschtschita“ („Notwehr“) zu machen. Am 3. Oktober 1916 erschien in der Zeitung „Golos“ in Samara ein Brief Martows im Namen der Sekretäre des Auslandssekretariats, in dem er die Ablehnung der Mitarbeit an der Zeitschrift „Djelo“, die Potressow herausgab, begründete. Aber nach wie vor betrachtete das OK die „Vaterlandsverteidiger“ als eine „legale Schattierung“ innerhalb der Sozialdemokratie, und sogar gegenüber der extrem-chauvinistischen Gruppe des „Prisywfasste das Auslands-Sekretariat keinen bestimmten Beschluss und beschränkte sich auf eine Erklärung im Sammelbuch „Internazional i Woina“ („Die Internationale und der Krieg“), die mit A. M. (Martynow?) gezeichnet war und den Bruch mit den „Prisyw“-Leuten befürwortete.

Praktisch unterstützten die Anhänger des OK in Russland z. B. in der Frage der Teilnahme an den Kriegsindustriekomitees die „Vaterlandsverteidiger“, und auch L. Martow nahm sie teilweise in Schutz. Erst nachdem es sich mit aller Klarheit herausgestellt hatte, dass die große Mehrheit der Petersburger Arbeiter nicht mit der Arbeitergruppe des Zentralen Kriegsindustriekomitees ging, erst nachdem die Mitglieder dieser Gruppe es abgelehnt hatten, sich nach den Weisungen der offiziellen Organe der OK-Anhänger zu richten, wandte sich die Petrograder „Initiativgruppe“ der OK-Anhänger gegen die Unterstützung Gwosdjews und seiner Gesinnungsgenossen.

In der Person Martows bricht dann das OK im April 1916 mit Trotzkis Zeitung „Nasche Slowo“.

Trotz der großen Anzahl der anerkannten Führer des Menschewismus im OK war die Zahl seiner Anhänger in Russland sehr gering, was sogar Martow in einem Brief an Axelrod vom 3. Januar 1916 zugeben musste, in dem er schrieb: „In Russland steht unsere Sache schlecht … Th. I. (Dan) fürchtet, dass alle lebendigen Kräfte zu den Leninisten übergehen werden“ … („Briefe P. B. Axelrods und J. O. Martows 1901-1916“. Verlag des russischen Revolutionsarchivs, Berlin, S. 355, russisch).

Während des Krieges gab das OK 9 Nummern der „Nachrichten des Auslandssekretariats des OK“ in der Zeit vom 28. Februar 1915 bis 10. Februar 1917, ein Sammelbuch „Internazional i Woina“ („Die Internationale und der Krieg“), Nr. 1, 1915, eine Broschüre in deutscher Sprache „Kriegs- und Friedensprobleme“ und drei Flugblätter: 1. „Die Aufgabe des russischen Proletariats“ (Brief an die Genossen in Russland), datiert vom 21. August/ 3. September 1915, 2. „Die Wiedergeburt der Internationale und der Kampf um den Frieden“ (Brief an die Genossen in Russland), datiert vom 1. November (19. Oktober) 1915, 3. „Proletariat und Krieg“ (Brief und Thesen des Auslandssekretariats des OK), datiert vom November 1915, in russischer Sprache heraus.

Bezüglich der Stellung Trotzkis zum OK meint Lenin wahrscheinlich den Artikel Trotzkis „Zusammenarbeit mit Sozialpatrioten“ in Nr. 264 des „Nasche SIowo" vom 12. Dezember 1915, wo Trotzki schreibt: „Wir haben nicht daran gezweifelt, dass es unter den menschewistischen Arbeitern zahlreiche revolutionäre Kader gibt, … die morgen zusammen mit uns den Abbruch der Beziehungen mit dem Generalstab der Sozialpatrioten, dem .Nasche Djelo“, verlangen werden.“ [Lenin, Sämtliche Werke, Band 19, Anm. 24]

Organisationskomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands nannte sich das leitende Organ der Menschewiki, das auf der „August“konferenz 1912 geschaffen wurde und bis zur Wahl des ZK der Menschewistischen Partei im Jahre 1917 funktionierte. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 20.1, Anm. 6]

Die Beratung, die Lenin hier meint, wurde auf den Januar 1912 auf Anregung des Bund und des ZK der lettischen Sozialdemokratie nach einer Stadt in Russland einberufen. Außer den Vertretern dieser Organisationen nahmen an ihr die Vertreter des liquidatorischen kaukasischen Gebietskomitees und der Sozialdemokratie Polens und Litauens teil. Die Beratung verhielt sich gegenüber der bolschewistischen Organisationskommission für Russland (OKR) und gegenüber der von ihr einberufenen Prager Konferenz ablehnend. Als Gegengewicht gegen die OKR und die Prager Konferenz setzte die Beratung ein eigenes Organisationskomitee ein, zur Einberufung einer Konferenz der „Gesamtpartei“ (im Zusammenhang mit der Frage der Zusammensetzung dieses OK verließ der Vertreter der Sozialdemokratie Polens und Litauens die Beratung). In der von der Beratung beschlossenen Resolution des OK wurde empfohlen, „sich an die OKR mit dem Vorschlag zu wenden, über die Zusammenarbeit zwecks Einberufung einer Gesamtparteikonferenz in Verhandlungen zu treten“ und im Falle der Weigerung der OKR „sich unmittelbar an jene Gruppen zu wenden, welche die OKR gebildet haben“. Zugleich beschuldigte die Beratung in der offiziellen Mitteilung über ihre Arbeiten die OKR der eigenmächtigen Aneignung ihrer Funktion, der Parteispaltung und des „zersetzenden Einflusses“ auf die Partei, und es wurde die Überzeugung ausgesprochen, dass das von der Beratung eingesetzte OK „die entschiedene Unterstützung aller jener finden wird, denen die Erhaltung unserer Einheit teuer ist und die die Atmosphäre des Fraktionszwistes nicht mehr länger ertragen können“. Auf den Vorschlag des OK, Vertreter zur Teilnahme an der Vorbereitung einer „Gesamtpartei“-Konferenz zu entsenden, gingen nur die am meisten opportunistischen und der Partei feindlichen Gruppen ein, die in Wirklichkeit außerhalb der Partei standen: die Trotzkisten (Redaktion der Wiener „Prawda“), die Gruppe „Wperjod“, der „Golos Sozialdemokrata“ und ähnliche. Der Versuch, die parteitreuen Menschewiki zur Teilnahme an der Konferenz zu bewegen, blieb ohne Erfolg. Plechanow, an den sich das OK zweimal wandte, betrachtete die geplante Konferenz als eine liquidatorische und bezeichnete die Teilnehmer an der Beratung, von der das OK eingesetzt worden war, als Liquidatoren. Auf einer der ersten Sitzungen des OK und der Vertreter der oben genannten Gruppen wurde eine Resolution über die Prager Konferenz der SDAPR angenommen, die zu dieser Zeit schon stattgefunden hatte. In dieser Resolution wurden die Bolschewiki beschuldigt, sie hätten einen „Umsturz“ vollzogen, hätten sich eigenmächtig „das Banner der Partei“ angeeignet und führten die Partei der Spaltung entgegen; alle „Parteiorganisationen“ wurden aufgefordert, gegen den durch die Bolschewiki vollzogenen Umsturz entschieden zu protestieren, die von der Prager Konferenz gewählten Zentralstellen nicht anzuerkennen und mit allen Kräften „durch die Teilnahme an der vorn OK einzuberufenden Gesamtparteikonferenz an der Wiederherstellung der Parteieinheit mitzuwirken“. Diese „Gesamtpartei“-Konferenz, die vom OK auf den August 1912 einberufen wurde, war in Wirklichkeit eine Konferenz der parteifeindlichen liquidatorischen Gruppen und Grüppchen, die auf dieser Konferenz den antibolschewistischen sogenannten „Augustblock bildeten. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 84]

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