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Guesdeisten und Jaurèsisten

In Frankreich wurde 1879 auf dem Kongress in Marseille die Sozialistische Arbeiterpartei gegründet, die unter dem Einfluss der Marxisten stand und deren 1880 beschlossenes Programm von Marx und Engels redigiert wurde. 1882 spaltete sich die Partei in zwei Fraktionen: die marxistische Fraktion der Guesdisten unter der Führung von Jules Guesde und Lafargue und die Fraktion der Possibilisten (von dem franz. Worte possible = möglich, weil sie das Mögliche zu erstreben erklärten), die mehrere opportunistische Strömungen umfasste und sich auch bald weiter spaltete. 1898 wurden Versuche gemacht, die verschiedenen sozialistischen Strömungen in einer Partei zu vereinigen. Aber der Eintritt des „Sozialisten“ Millerand in das bürgerliche Ministerium hatte eine neue Spaltung zur Folge: die Ministerialisten mit Jaurès an der Spitze und die Marxisten, deren Führer Guesde war. Erst nach dem internationalen Kongress von 1904, der den Ministerialismus verurteilte, kam die Einigung mit den französischen Sozialisten zustande. [Ausgewählte Werke Band 2]

Die „Guesdeisten" und die „Jauresisten" – zwei Richtungen im französischen Sozialismus. Im Jahre 1879 nahm der Kongress der Arbeiterorganisationen in Marseille, der unter dem ideologischen Einfluss der Marxisten („Kollektivisten") stand, einen Beschluss über die Bildung einer sozialistischen Arbeiterpartei an. Das im Jahre 1880 angenommene Programm der Partei war von Marx und Engels redigiert. Im Jahre 1882 spaltete sich die Partei in zwei Fraktionen: die Guesdeisten (Guesde und Lafargue), die der selbständigen revolutionären Politik des Proletariats die Eroberung der Staatsgewalt zum Ziele setzten (Diktatur des Proletariats), die Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie ablehnten und den organisatorischen Zentralismus der Partei vertraten, und die Possibilisten oder Brousseisten (Brousse und Malon), der gemäßigte reformistische Flügel, der versuchte, den Marxismus mit dem Proudhonismus zu verbinden, der die sozialistischen und kommunistischen Ziele des Proletariats verschleierte, dem Eindringen der Vertreter der Partei in die städtischen Selbstverwaltungen eine übermäßig große Bedeutung beimaß, die Partei auf den Prinzipien der Föderation und der Autonomie aufbaute und dem Proletariat empfahl, nur das zu fordern, was „möglich" („possible") sei – daher die Bezeichnung der neuen Partei. Im Jahre 1890 trennten sich von den Possibilisten die Allemanisten (unter Führung von Allemane) – eine syndikalistische Strömung, die mit dem allzu gemäßigten Standpunkt der Possibilisten unzufrieden war und zugleich den Guesdeisten ablehnend gegenüberstand. (Die Allemanisten betrachteten den Generalstreik als das Hauptkampfmittel. Außer den Guesdeisten, den Possibilisten und den Allemanisten besaßen in der Arbeiterbewegung der 90er Jahre die Blanquisten (Edouarde Vaillant) Einfluss, die in vielem von den Traditionen Blanquis abwichen und in der Richtung des Marxismus evolutionierten, sowie die „Föderation der Unabhängigen" (Jaurès), die die Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie predigte. Im Jahre 1898 wurden im Zusammenhang mit der durch den Dreyfus-Prozess ausgelösten politischen Krise Versuche zur Annäherung und Vereinigung der sozialistischen Strömungen unternommen. Der Eintritt des „Sozialisten" Millerand in das bürgerliche Ministerium hatte jedoch eine neue Umgruppierung in den Reihen des französischen Sozialismus wegen der Frage: revolutionärer Klassenkampf oder „Ministerialismus" und Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie im Gefolge (der Hauptvertreter des ersteren Standpunktes war Guesde, der des letzteren – Jaurès). In diesen Fragen auf den gemeinsamen Kongressen zu einer Einigung zu kommen, gelang nicht, und die Guesdeisten konstituierten sich im Jahre 1901 zur „Sozialistischen Partei Frankreichs" (Parti Socialiste de France), die Reformisten (Possibilisten, Allemanisten und Unabhängige) bildeten 1902 die „Französische Sozialistische Partei" (Parti Socialiste Français). Auf Beschluss des Amsterdamer Kongresses von 1904 vereinigten sich beide Parteien zu der französischen Sektion der Arbeiterinternationale („Section Française d'Internationale Ouvrière). Obwohl die Verschmelzung auf der Basis der Anerkennung des marxistischen Programms erfolgte, hörten die Meinungsverschiedenheiten nicht auf. Die Guesdeisten' vertraten die revolutionäre Sozialdemokratie, die Jaurèsisten – die opportunistische.

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