Der einzige Weg‎ > ‎

E. 19371100 Die GPU bereitet die Ermordung Sedows vor

E.: Die GPU bereitet die Ermordung Sedows vor

[Aus dem Bulletin der russischen Opposition, Bolschewiki-Leninisten, Nr. 60-61. Nach Der einzige Weg, Zeitschrift für die Vierte Internationale, Nr. 2 (Januar 1938), S. 36 f.]

Die Untersuchung in Sachen der Ermordung des Genossen Ignaz Reiss, die nicht ohne Nachdruck betrieben wird, hat eine Reihe sehr wichtiger Tatsachen über das Banditenwesen der GPU im Ausland zu Tage gefördert. Ohne Zweifel wird noch vieles entdeckt und im bevorstehenden Prozess gegen die Mörder I. Reiss’ der ganzen Welt bekannt werden.

Die Gerichtsbehörden haben dokumentarisch festgestellt, dass die Bande, die Reiss’ Ermordung vorbereitete und durchführte, sich hauptsächlich auf Leo Sedow, den Sohn Trotzkis, «spezialisiert» hatte. Als Stalin im Frühjahr 1936 an die Vorbereitung des Sinowjewprozesses schritt, wurde zur gleichen Zeit L. Sedow von der GPU unter verstärkte Beobachtung gestellt. Ein russischer Weißgardist, Mitglied des «Heimkehrerbundes»* und GPU-Agent, Smirenski, mietete mit einem anderen GPU-Agenten, dem Franzosen Ducomet, eine Wohnung in unmittelbarer Nachbarschaft Sedows, 28 rue Lacretelle, Paris (Sedow: 26). Aus dem Fenster dieser Wohnung wurde Sedow von den oben genannten und von der Schweizerin Renate Steiner ununterbrochen beobachtet. Häufig wurde die Bespitzelung aus dem Fenster durch «Außen»-Wachdienst in der Lacretelle-Straße ergänzt.

Smirenski, Ducomet und Steiner wurden im September-Oktober 1937 wegen ihrer Beteiligung an der Ermordung I. Reiss’ von der schweizerischen und französischen Polizei verhaftet (Das Auto, das zur Mordtat benutzt wurde, war von der Steiner gemietet worden). Diese Bande stand unter der Leitung anderer GPU- Agenten, gleichfalls Weißgardisten vom «Heimkehrerbund», mit Namen Schwarzenberg und Efron, die ihrerseits dem GPU-Residenten und seinen Gehilfen von der Sowjetgesandtschaft unterstanden.

Als Sedow im Sommer 1936 nach Südfrankreich (Antibes) zur Erholung fuhr, kamen Afron, Smirenski und Steiner bald nach. Renate Steiner stieg in der gleichen Pension ab wie Sedow und Frau und suchte sich dort das zur Beobachtung geeignetste Zimmer aus. Täglich erstattet sie Smirenski, der in einem anderen Gasthaus derselben Stadt wohnte, Bericht. Als Sedow nach Paris zurückkehrte, fuhr Smirenski nach.

In der Nacht des 7. November 1936 stahlen GPU-Agenten in Paris Trotzkis Archive, die L. Sedow dem Institut für Sozialgeschichte in Verwahrsam gegeben hatte. Es unterliegt keinem Zweifel, dass Smirenskis Bande in dieser Angelegenheit die Hände aktiv im Spiel hatte. Als die GPU gewahr wurde, dass die gestohlenen Archive für sie ohne Interesse waren, und erfuhr, dass sich in Paris noch andere Archive Trotzkis befanden, wurde die Beobachtung Sedows verstärkt. Die gewöhnlich ziemlich vorsichtigen Pariser GPU-Leute wurden kühn und ergänzten die Beobachtung aus dem Fenster durch aktives Nachgehen. Eine gewisse Person mit Brille, die Sedow auf Schritt und Tritt verfolgte, wurde auf dessen Ersuchen von der Polizei festgenommen. Dies Subjekt stellte sich ebenfalls als ein russischer Weißgardist heraus, mit Namen Tschistoganow, gleichfalls Mitglied des «Heimkehrerbundes» und der Smirenskibande.

Man könnte vermuten, Sedows Beobachtung habe den Zweck verfolgt, dem neugierigen Stalin Angaben über Sedows Ortsveränderungen und Bekanntschaften zu besorgen. In Wirklichkeit aber verfolgte sie ein überaus praktisches Ziel: sorgfältig Sedows Ermordung vorzubereiten, um sie zu geeigneter Zeit und geeigneten Orts auch zu verwirklichen. Als dieser Ort wurde im Januar 1937 Mühlhausen gewählt. Im Zusammenhang mit einem bevorstehenden Prozess Trotzkis gegen die Kominternpresse in der Schweiz, gegen die er wegen Artikeln über die Moskauprozesse Verleumdungsklage erhoben hatte, sollte sich Sedow mit Trotzkis schweizerischem Anwalt und einem schweizerischen Genossen zwecks allseitiger Besprechung dieser Angelegenheit treffen. Aus Zeitmangel konnte der Anwalt nicht nach Paris fahren, Sedow konnte nicht in die Schweiz reisen, weil er keinen Grenzpass besaß. Als Treffort wurde daher Mühlhausen ausgemacht. Auf einem noch nicht sicher bekannten Weg erfuhr die GPU nicht nur von der bevorstehenden Begegnung in Mühlhausen, sondern bereitete dort auch eine richtige Falle für Sedow vor, die in vielem an die Falle erinnert, die Reiss in Lausanne gestellt wurde. Zufälliger Umstände halber kam Sedows Reise nach zweimaliger Verschiebung doch nicht zustande. Jetzt stellte sich heraus, dass die Bande Smirenski-Steiner-Ducomet & Co. Sedow in diesen Tagen am Mühlhausener Bahnhof erwartete. Ihre Aufgabe war, Sedow zu töten. Nur der Zufall rettete ihn. Es ist nicht ohne Interesse zu bemerken, dass all dies gerade im Augenblick des Pjatakow-Radek-Prozesses stattfand.

In der Folgezeit ließ die Bespitzelung Sedows keineswegs nach. Wenn die GPU ihre Absichten nicht auszuführen vermochte, so nur weil sie es für notwendig hielt und hält, die «Sache» erst technisch und politisch so vorzubereiten, dass keine Spuren übrig blieben. Die Beobachtung Sedows hörte erst im Juli 1937 auf, als die Smirenskibande mit der Suche nach Reiss beauftragt wurde. Stalin und Jeschow hielten den Mord an Reiss für dringender, da sie von ihm öffentliche Enthüllungen befürchteten.

Die Untersuchung im Falle der Ermordung I. Reiss’ und dem Fall L. Sedow und einiger anderer Genossen zeigten mit aller Deutlichkeit, dass die Teilnehmer der Verbrechen, die direkten Mörder (Konratjew), die Organisatoren (Efron) usw. fast durchwegs russische Weißgardisten** im Dienste der GPU sind. Gewissen Mitteilungen zufolge leisten russische Weißgardisten auch in der spanischen GPU Dienste. Es ist sehr gut möglich, dass die Ermordung Nins, die Entführung Erwin Wolfs, Hans Freunds und Mark Rheins unter Mitwirkung von Weißgardisten geschahen.

Es steht außer Zweifel, dass Stalin die Ermordung Trotzkis gerade durch Weiße will. Das «Russische Bulletin» hat des öfteren darüber geschrieben. Bereits in der Vergangenheit bereitete der Weißgardist Turkul – ein guter Freund Skoblin-Jagodas – eine solche Ermordung vor.

In diesem Artikel beschränken wir uns auf die Mitteilung über den «Fall» Sedow. Diesem Artikel werden andere folgen. An Material herrscht bei uns kein Mangel. Wir wissen zum Beispiel, dass die GPU die Ermordung der Witwe Reiss und ihres Kindes vorbereitet hat (ja, auch des Kindes!), so ungeheuerlich dies auch scheinen mag. Von all dem werden wird die Arbeiteröffentlichkeit in Kenntnis setzen. Nichts wird uns aufhalten. Stalin und Jeschow mögen sich das gesagt sein lassen.

Zum Schluss sei noch bemerkt, dass das sogenannte linke, «mit Stalin sympathisierende» Intellektuellenmilieu und insbesondere die Gesellschaft der Freunde der Sowjetunion von oben bis unten mit GPU-Agenten, bezahlten und freiwilligen, durchsetzt ist. Diese Herrschaften wird man noch einmal entlarven.

* Der «Heimkehrerbund» ist eine von den Stalinisten aufgezogene Organisation für Weißgardisten, die, erfreut über Stalins reaktionären Kurs, wieder nach Russland zurück möchten. Um ihre Ergebenheit zu erproben, beauftragt die GPU sie mit ihren schmutzigsten Affären. Freilich haben manche von diesen Herren in der Vergangenheit dies Metier schon einmal ausgeübt.

** In diesem Zusammenhang wird auch die Miller-Affäre verständlich. Die GPU versucht, das was von den Militärorganisationen der weißen Offiziere übrig blieb, in ihre Hand zu bekommen, um mit dieser Waffe die Revolutionäre zu bekämpfen. Miller wurde nicht entführt, um gegen die Weißen zu kämpfen (wer kämpft heute schon gegen sie), sondern um die weißgardistische Organisation mit Hilfe Skoblins & Co in den Dienst der GPU zu stellen.

Kommentare