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Maximalisten

Die Maximalisten – schieden im Jahre 1906 organisatorisch aus der Partei der Sozialrevolutionäre aus und bildeten eine besondere Organisation „Verband der Sozialrevolutionäre-Maximalisten". Die Opposition gegen die „orthodoxe" Richtung der Sozialrevolutionäre war bereits 1904 entstanden, als eine kleine Gruppe sogenannter „Agrarterroristen" mit dem Vorschlag auftrat, die Partei solle die Führung aller Formen des Agrarterrors übernehmen, um einerseits die spontane Bauernbewegung in ein bestimmtes Geleise zu lenken, anderseits aber von den bürgerlichen Elementen innerhalb der Partei abzurücken und dadurch die kommende Revolution zu einer sozialistischen zu machen. Dieselben oppositionellen Gruppen bestanden im westlichen Teil und im Süden Russlands. Zur Zeit des 1. Parteitages der Partei derSozialrevolutionäre war die Opposition derart erstarkt, dass sie in Moskau, parallel zum Parteikomitee der Sozialrevolutionäre, eine Organisation: „Die Moskauer Organisation der Sozialrevolutionäre" schuf. Nach dem 1. Parteitag der Partei der Sozialrevolutionäre im März 1906 trat eine kleine Konferenz der Opposition zusammen, die beschloss, Maßnahmen zur Bildung der maximalislischen Organisation zu treffen. Im Oktober 1906 wurde auf dem Gründungsparteitag in Abo (Finnland) denn auch der „Verband der Sozialrevolutionäre-Maximalisten" gebildet. Das in einer Reihe von Broschüren und Sammelheften (Tag–in: „Prinzipien der Werktätigkeitstheorie", Sammelheft „Wolja Truda", A. Swjetlow: „Die Aufgaben des anbrechenden Tages", Riwkin: „Geradeaus zum Ziel" u. a.) entwickelte Programm der Maximalisten hatte die grundlegende, den alten Narodniki entnommene These zum Ausgangspunkt: „Die Möglichkeit des materiellen Sieges der werktätigen Klasse ist um so geringer, je mehr sich die Klasse der Ausbeuter bereichert und je besser sie sich organisiert und bewaffnet. Die Aussichten auf eine Werktätigenordnung wachsen nicht, sondern verringern sich im Maße der Entwicklung des Kapitalismus." Daher gelangten die Maximalisten zu der Schlussfolgerung, dass die bevorstehende Revolution nicht zu einer bürgerlichen, sondern zu einer sozialistischen gemacht werden müsse und dass man sich infolgedessen schon jetzt nicht mehr nur auf die von den Sozialrevolutionären verlangte Sozialisierung des Bodens beschränken dürfe, sondern unverzüglich auch die Sozialisierung der Fabriken und Betriebe vornehmen müsse. Die Maximalisten, die das Minimalprogramm der sozialistischen Parteien ablehnten, verhielten sich scharf ablehnend zu allen Repräsentativkörperschaften von der Art der Duma und des Parlaments, da diese Körperschaften „die Atmosphäre des Hasses und der Verbitterung entspannen und in den Massen eine kleinbürgerlich-konservative Psychologie kultivieren". Anstatt des bestehenden Regimes schlugen die Maximalisten in ihrem Programm vor, eine „Republik der Werktätigen" einzuführen, die charakterisiert wird durch den gleichzeitigen Übergang der politischen Macht, des Bodens, der Fabriken und Betriebe in die Hände des werktätigen Volkes, wobei die Fabriken und Betriebe, nach der Meinung des einen Teiles der Maximalisten, Arbeitergenossenschaften, nach der Meinung des anderen Teiles – Kommunen oder Munizipalitäten übergeben werden sollen. Als Mittel zur Erreichung dieser Ziele kommt der politische und der Agrarterror in Frage, der die Vertreter der Macht und der Ausbeutung vernichtet und die ökonomischen Grundpfeiler der bürgerlichen Gesellschaft untergräbt.

Die Tätigkeit der Maximalisten, die im Grunde genommen eine kleine Gruppe kleinbürgerlicher Intellektuellen und einzelner Arbeiter waren, bestand in einer Reihe sehr kühner terroristischer Akte, wie z. B. das (misslungene) Attentat auf Stolypin und die Expropriationen – in der Moskauer Spar- und Darlehnskasse, in dem Fonarny-Gässchen in Petersburg usw. Gegen Ende 1907 hatten die maximalistischen Organisationen schwere Verluste an aktiven Kräften erlitten und begannen zu zerfallen, wobei ein Teil der Maximalisten zu den Anarchisten ging, mit denen sie auch ihre programmatischen Grundsätze und insbesondere ihre Taktik verbanden.

Nach der Februar-Revolution 1917 besaßen die Maximalisten eine Zeitlang ein Zentralorgan – die Tageszeitung „Maximalist", die anfänglich in Petrograd und dann in Moskau herausgegeben wurde. Anfang 1919 kam es im Verband der Maximalisten zur Spaltung. Der größere Teil, der sich abgespalten hatte, beschloss unter Führung von N. W. Archangelski, A. I. Berdnikow und Th. J. Swetlow auf der Allrussischen Konferenz im April 19291, den Verband zu liquidieren und sich mit der Kommunistischen Partei zu verschmelzen. Die verbliebene Minderheit hat sich bald nachher, mit dem Übergang zur NEP, aufgelöst und zu existieren aufgehört.

1 muss offenbar 1919 heißen, wenn es noch vor der NEP war

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