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Erlass vom 12. Dezember 1904

Der Erlass Nikolaus' II. an den regierenden Senat, von dem Lenin hier spricht, wurde vom Zaren am 12./25. Dezember 1904 unterzeichnet. Es hieß darin u. a.: „Nach dem heiligen Vermächtnis unserer gekrönten Vorfahren stets bedacht auf das Wohl der uns von Gott anvertrauten Herrschaft, erachten wir, bei unabänderlicher Wahrung der Unerschütterlichkeit der Reichsgrundgesetze (d. h. des zaristischen Absolutismus. Die Red.), als Aufgabe der Regierung die unablässige Sorge um die Bedürfnisse des Landes, wobei wir das den Interessen des russischen Volkes tatsächlich Entsprechende von den nicht selten irrtümlichen und durch vorübergehende Umstände beeinflussten Strömungen unterscheiden. Wenn sich jedoch das Bedürfnis nach dieser oder jener Änderung als reif erweist, halten wir es für notwendig, an ihre Ausführung zu gehen, auch wenn die in Aussicht genommene Reform wesentliche Neuerungen in der Gesetzgebung hervorrufen würde". Um keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, wie der Erlass gemeint war, veröffentlichte die Regierung gleichzeitig ein Kommuniqué mit unzweideutigen Drohungen gegen die Liberalen. Die gegen die bestehende Ordnung gerichtete Bewegung – hieß es im Kommuniqué der Regierung – sei dem russischen Volke, das den historischen Grundlagen der Staatsorganisation treu bleibe, fremd. Da es die gesetzliche Pflicht der Regierung sei, die Staatsordnung und die öffentliche Sicherheit zu schützen, so müssen und werden alle Versuche, die bestehende Ordnung zu stürzen und alle regierungsfeindlichen Versammlungen mit allen gesetzlichen Mitteln unterdrückt werden. Die Semstwo- und Stadtverwaltungen, sowie die Körperschaften und Gesellschaften aller Art dürfen die Grenzen ihrer Kompetenz nicht überschreiten und keine Fragen berühren, zu deren Besprechung sie gesetzlich kein Recht hätten. Die Leiter öffentlicher Versammlungen, die die Besprechung von Fragen der Staatsordnung zulassen, würden nach den bestehenden Gesetzen zur Verantwortung gezogen werden. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 7, Anm 18]

Die Entscheidung der Mehrheit der November-Semstwo-Versammlung, Volksvertretern eine entscheidende Stimme zu geben, veranlasste den „Reformer" Mirski, Nikolaus einen Bericht über die Notwendigkeit einer Reihe von Reformen zu machen. Im Zusammenhang mit diesem Bericht berief der Zar eine Ministersitzung ein, die Witte beauftragte, einen entsprechendes Erlass zu erarbeiten. Der Entwurf des Erlasses mit dem Titel: „Über die Vorherbestimmung zur Verbesserung der Staatsordnung" wurde von Witte zusammen mit Nolde ausgearbeitet und von allen Mitgliedern der Sitzung unterzeichnet. Bei der Genehmigung des Projekts strich Nikolaus unter der aktiven Teilnahme von Witte und Pobjedonoszew den Hauptpunkt über die Notwendigkeit, öffentliche Persönlichkeiten in eine gesetzgebende Institution einzubeziehen. Das Manifest wurde am 12. Dezember veröffentlicht; Er sprach von Verwaltungsreformen und in sehr vagen Begriffen von der Ausweitung der Rechte der Bevölkerung und der Freiheit der Presse. Zur Unterstützung des gestrichenen Punktes wurde nach dem Manifest eine „Regierungsnachricht" herausgegeben, die die Diskussion über eine Verfassung in öffentlichen Versammlungen verbot. Es ist ganz natürlich, dass ein solcher Erlass auch die gemäßigtesten Semstwo-Leute nicht in geringstem Maße befriedigen konnte. Witte selbst gesteht in seinen „Memoiren", dass der Erlass nur die Beziehung zwischen der Selbstherrschaft und der „Gesellschaft" verschärfte. Aber die Aufregung der Liberalen beschränkte sich schicklicherweise war nur auf neue Bankette. Die praktischen Ergebnisse des Manifests reduzierten sich auf einige Manifestationen religiöser Toleranz gegenüber den Altgläubigen und dem Sektierertum und auf eine Veränderung der Lage in den Schulen der westlichen Provinzen. [Trotzki, Sotschinenija, Band 2.1]

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