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menschewistischer Plan zur Semstwokampagne

Das obenerwähnte Schreiben der „Iskra"-Redaktion an die Parteiorganisationen erschien noch vor dem Novemberkongress der Semstwoleute. Lenins Kritik des „Iskra"-Planes der Semstwokampagne veranlasste die Redaktion der „Iskra" zu einem zweiten „Schreiben an die Parteiorganisationen", und zwar wiederum mit dem Vermerk: „Nur für Parteimitglieder". Gleich zu Beginn des zweiten Schreibens ergeht sich die Redaktion in Entrüstung über Lenin, der durch seine Broschüre ein „vertrauliches" Schreiben der Öffentlichkeit preisgegeben hätte. Lenin hatte seine Broschüre ebenfalls mit dem Vermerk: „Nur für Parteimitglieder" versehen. Nach Erscheinen des zweiten Schreibens der „Iskra"-Redaktion wurde in die Broschüre eine Einlage mit folgendem Text eingeklebt:

Die Beschränkung des Leserkreises der vorliegenden Broschüre wird hiermit aufgehoben, da unsere sogenannte Parteiredaktion eine Antwort auf diese Broschüre herausgegeben hat, angeblich für die Parteimitgliedschaft, in Wirklichkeit aber sie lediglich den Versammlungen der Minderheit mitteilt und Parteimitgliedern, von denen feststeht, dass sie zur Mehrheit gehören, vorenthält.

Wenn die ,Iskra' beschließt, uns nicht als Parteimitglieder gelten zu lassen (und zugleich Angst hat, es offen zu sagen), so bleibt uns nichts weiter übrig, als uns mit unserem bitteren Los abzufinden und aus einem solchen Beschluss die nötigen Konsequenzen zu ziehen. – 22. Dezember 1904."

Dieser Text stammt aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls aus der Feder Lenins. Das Datum: „22. Dezember 1904" bezieht sich nur auf die Anmerkung in dem Einlagezettel. [...]

Das Schreiben der „Iskra"-Redaktion zeigte anschaulich, wie der organisatorische Opportunismus der Menschewiki sich bereits zum taktischen Opportunismus entwickelt hatte, und diente in den Augen weiter Parteikreise als Begründung für die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Absonderung der Bolschewiki mit einem selbständigen Organ im Auslande („Wperjod") und einem praktischen Zentrum in Russland, dem „Büro der Komitees der Mehrheit". Lenins Kritik der in dem „Schreiben" der „Iskra" niedergelegten menschewistischen Taktik half den Bolschewiki die Grundlagen der revolutionären Leninschen Taktik tiefer zu erfassen und angesichts der großen Ereignisse des 9./22. Januar nicht in Verwirrung zu geraten.

Die Bezeichnung „alte" und „neue" „Iskra", die wiederholt in diesem, wie in den anderen Aufsätzen des vorliegenden Bandes vorkommt, hängt mit den innerparteilichen Kämpfen in der russischen Sozialdemokratie zusammen. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 7, Anm. 1]

Die hier charakterisierte „Theorie vom höheren Typus der Demonstrationen“ wurde von der Redaktion der neuen, menschewistischenIskra“ entdeckt und im November 1904 in einem besonderen Briefe an die Parteiorganisationen aufgestellt. Dieser Brief handelte von dem „Plan der Semstwokampagne“ oder, wie Lenin in einem anderen Artikel schrieb, von dem „Plane der Einwirkung auf unsere liberalen Semstwoleute, die um eine Verfassung eingekommen sind“ (siehe auch Anm. 44). Diesen Brief der „Iskra“ beantwortete Lenin mit dem Artikel „Die Semstwokampagne und der Plan der „Iskra“, in welchem er diesen Plan eingehend zergliederte und lächerlich machte. Lenins Kritik veranlasste die Redaktion der „Iskra“, einen zweiten Brief an die Parteiorganisationen herauszugeben, der eine Verteidigung des Plans und einige verunglückte Einwendungen gegen Lenins Kritik enthielt. Durch die Ereignisse des 9./22. Januar 1905 und die ihnen folgende Streikbewegung wurde der ganze menschewistische Plan der Semstwokampagne begraben. [Lenin, Ausgewählte Werke Band 3, Anm. 80]

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