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1890er Jahre in Russland

Die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts waren für Russland Jahre der raschen industriellen Entwicklung. In diesen Jahren wurde die russische Schwerindustrie geschaffen, ausländisches Kapital floss in verstärktem Maße ins Land. Bergbau und metallurgische Produktion traten an die erste Stelle, die Konzentration der Industrie machte rasche Fortschritte, neue Industriezentren entstanden (z. B. im Donezbecken), die Städte wuchsen rasch und das Eisenbahnnetz wurde ausgebaut. Stärker als früher drang der Kapitalismus in die Landwirtschaft ein und schuf dort die Bedingungen für die Entwicklung des inneren Marktes. Das Proletariat wuchs und es bildete sich das Klassenbewusstsein heraus. Die Streikbewegung schuf eine günstige Grundlage für die Entfaltung der sozialdemokratischen Wirksamkeit. Auch auf die Intellektuellen wirkte diese Entwicklung ein: es begann der Zusammenbruch der Theorien des Narodnikitums. In der Bourgeoisie belebten sich unter dem Einfluss dieser Entwicklung die liberalen Stimmungen. Ein Teil der Intelligenz neigte zum Kampfe für eine Verfassung. Im Jahre 1893 entstand die ParteiVolksrecht“ mit Natanson an der Spitze. Ihren Standpunkt verfocht die Partei in der von Lenin erwähnten Broschüre „Die dringende Frage“ und im „Manifest der Partei ,Volksrecht’“. Die Vertreter dieser Partei kritisierten die nur kulturelle Arbeit der Mehrheit der Narodniki. Als Hauptaufgabe betrachtete die Partei den Kampf für politische Freiheit und für die Verfassung. Den Sozialismus lehnte die Partei, wenn auch nicht direkt, ab. Auf diese Weise wollte sie auf die oppositionellen und liberalen Strömungen Einfluss gewinnen. Am stärksten äußerte sich der Umschwung darin, dass revolutionär gestimmte Gruppen von Intellektuellen sich dem Marxismus zuwandten. Von diesen Gruppen erwähnt Lenin die sogenannte Gruppe der „Vierten ,Flugschrift des Volkswille'“. Diese Gruppe gab die „Flugschriften der Gruppe ,Volkswille’“ heraus und besaß eine gut eingerichtete Druckerei, in der die Veröffentlichungen des Petersburger Kampfbundes und u. a. auch die Arbeiten Lenins gedruckt wurden. Gegründet wurde die Gruppe im Jahre 1891. Sie war unter den Arbeitern tätig und infolge dieser Verbindung sowie der Entwicklung in den 90er Jahren entfernte sie sich immer mehr vom Narodnik'itum in der Richtung zum Marxismus. Das „Vierte Flugblatt“ dieser Gruppe war schon fast sozialdemokratisch. Zu den Anzeichen des Aufschwungs der revolutionären Bewegung und ihrer Entwicklung in der Richtung zur Sozialdemokratie rechnete Lenin auch das Erscheinen des Sammelbandes „Rabotnik“ (Arbeiter), der vom „Verband der russischen Sozialdemokraten im Auslande“ unter der Redaktion der Gruppe „Befreiung der Arbeit" im Auslande herausgegeben wurde. An der Organisierung dieser Herausgabe nahm auch Lenin teil. [Ausgewählte Werke, Band 1]

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