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Kampf gegen Zentrismus und Pazifismus 1916/17

Zur Zeit, als Lenin den Artikel „Bürgerlicher und sozialistischer Pazifismus“ schrieb, hatten sich in der Zimmerwalder Vereinigung die beiden Gruppen, die zentristische, opportunistische Mehrheit und die Zimmerwalder Linke, bereits herauskristallisiert. Die Zimmerwalder Linke hatte gegen die Internationale Sozialistische Kommission bereits ihr eigenes Büro organisiert, ihre Manifeste veröffentlicht und in der Presse mit einer systematischen Kritik der Zentristen begonnen. Die Ereignisse zeigten, dass in allen Fragen die von Lenin geführte Zimmerwalder Linke im Rechte war. Ende 1916, nach zweieinhalb Jahren Krieg, hatte die Bourgeoisie der kriegführenden Länder bereits einige Ergebnisse erzielt. Der Krieg war zu Raubzwecken begonnen worden. Zweieinhalb Jahre Krieg brachten der deutschen Bourgeoisie den Verlust ihrer Kolonien, dafür aber eine Reihe von Eroberungen in Belgien, Polen und Frankreich. England gelang es, die deutschen Kolonien in seine Hände zu bekommen und Mesopotamien von der Türkei loszureißen. Österreich verlor einen Teil Galiziens, machte aber bedeutende Eroberungen am Balkan. In der günstigsten Lage befand sich zu dieser Zeit Deutschland. Seine Eroberungen waren wertvoller als die der anderen. Es ist daher verständlich, dass die deutsche Bourgeoisie unter diesen Umständen keineswegs Frieden schließen wollte. Außerdem begann sich die deutsche Bourgeoisie und auch die Bourgeoisie der anderen kriegführenden Länder wegen der Unzufriedenheit der Massen zu beunruhigen, die sich bereits zu äußern begann. Die Bourgeoisie aller kriegführenden Länder und in erster Linie die deutsche begann, den Boden für eine Vereinbarung über die Teilung des Raubes zu sondieren. Es begannen Besprechungen über einen „demokratischen Frieden“, über Abrüstung usw., es wurden sehr nebelhafte Friedensvorschläge der deutschen Regierung veröffentlicht (im Dezember 1916, siehe Anm. 84), es erschien ein Vorschlag des amerikanischen Präsidenten Wilson über eine Vermittlung zwischen den kriegführenden Staaten. In diesem Augenblick zeigte sich die wahre Natur der Zentristen als versteckter Sozialchauvinisten, als heimlicher Helfershelfer der Bourgeoisie mit aller Deutlichkeit. Kaum hatte die Bourgeoisie angedeutet, dass sie nicht abgeneigt wäre, an eine Übereinkunft über die Teilung des Raubes auf dem Wege des Friedensschlusses heranzugehen, und schon boten die Zentristen ihre Dienste an. Abgesehen von Kautsky, vergaßen auch die Zimmerwalder Merrheim, Bourderon u. a. den Sozialismus und traten in der Rolle von „Versöhnlern“ auf. Die Phrasen über den sozialistischen Kampf für den Frieden wichen sehr bald dem offenen bürgerlichen Pazifismus. Das Verhalten der Zimmerwalder Mehrheit zeigte die absolute Unvereinbarkeit des Sozialchauvinismus und des revolutionären Marxismus auf. Der bürgerliche Pazifismus war das einzige, dessen sich die zentristische Mehrheit von Zimmerwald noch als fähig erwies. Der Charakteristik und der Aufhellung der Lage, wie sie sich Anfang 1917 innerhalb der Zimmerwalder Vereinigung herausgebildet hatte, ist auch der Artikel „Bürgerlicher und sozialistischer Pazifismus' gewidmet. Der endgültige Bruch mit den Zentristen von der Zimmerwalder Vereinigung, die sich offen mit den rechten Sozialchauvinisten verbündet hatten, sei eine Lebensfrage für die wirklichen Internationalisten geworden – das war der Hauptinhalt des Leninschen Artikels. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 5, Anm. 82]

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