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Nr. 1

Der einzige Weg

Zeitschrift für die Vierte Internationale

Organ des IS, der MA Schweiz, der RKÖ, der IKCSR

Redaktionssekretariat: Postfach 466. Zürich-Fraumünster

Administration: Dynamo Verlag, L. De Lee, Postbus 296, Antwerpen

Aus dem Inhalt:

Leo Trotzki: Bolschewismus und Stalinismus.

: Brief an alle Arbeiterorganisationen.

: Zum chinesisch-japanischen Krieg.

Die GPU mordet auch im Ausland.

Brief von Reiss.

Leo Trotzki: Eine tragische Lehre.

Die illegale Arbeiterbewegung Österreichs.

The case of Leon Trotsky“

Nr. 1, Dezember 1937

Preis der Einzelnummer:

Schweiz: -.30 Fr.;

Österreich: -.30 Sch.;

CSR: 2- Kc.;

Frankreich: 2.- Fr.;

Belgien: 2.- Fr.;

Holland: -.15 Fl.;

Skandinavien: -.35 Kr.;

England: 4 d.;

USA: -.10 Doll.;

Palästina: 2- Piast.

Abonnementspreis für 6 Nummern:

Schweiz: 1.50 Fr.;

Österreich: 1.50 Sch.;

CSR: 10- Kc.;

Frankreich: 10- Fr ;

Belgien: 10- Fr ,

Holland: -.80 FI.;

Skandinavien: 2- Kr.;

England: 1/10 Sh.;

USA: -.50 Doll.;

Palästina: 10- Piast.

Mitteilungen der Administration

Dynamo-Verlag (Zürich-Antwerpen-Prag).

Die Editions De Lee, Antwerpen und der Dynamo-Verlag Zürich haben sich zum Dynamo-Verlag Zürich-Antwerpen-vereinigt. Dieser ist organisiert als Genossenschaft und rechtlich eingetragen im Schweizerischen Handelsregister (Zürich). Der Dynamo-Verlag stellt sich die Aufgabe, nicht nur die Literatur der 4. Internationale und insbesondere Werke Leo Trotzkis, sondern auch literarische Arbeiten von diesen nahestehenden Personen und Gruppierungen in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Der Dynamo-Verlag besorgt gleichzeitig die Administration der vorliegenden Zeitung. Er ist unabhängig und überparteilich.

Wir fordern alle Personen, die diesen dringend notwendigen Zweck unterstützen wollen, auf, durch Zeichnen von Anteilscheinen die Mitgliedschaft zu erwerben. Die Anteilscheine betragen 15.- Schweiz. Fr.

Weiter fordern wir alle auf, durch Spenden die Verlagstätigkeit zu fördern. Auf Anraten mehrerer Freunde sind wir dazu übergegangen: Bausteine zum Aufbau unseres Verlags herauszugeben. Der Preis für einen Baustein ist festgesetzt auf Schw. Fr. 2.-.

Jeder der mindestens ein Heft, d. i. 10 Bausteine, verkaufen wird, wird als Prämie ein Exemplar von Trotzkis «Verratene Revolution» in deutscher Sprache erhalten.

Werdet Mitglieder des Dynamo-Verlags!

Zeichnet Anteilscheine! Kauft «Bausteine»! Gebt Pressefonds!

Verlags- und Administrationsadressen:

Hauptsitz (Anmeldung der Mitgliedschaft, Ausgabe von Anteilscheinen usw.):

Zürich-Fraumünster, Postfach 466.

Zentrale Administration des Verlags und der Zeitschrift:

Antwerpen, L. de Lee, Postbus 296.

Zahlungen: Postscheckkonto Brüssel 92 535, Bankkonto: Banque de Commerce, Antwerpen.

Administration für CSR und Osteuropa:

Prag-Branik, Georg Kopp, Jezerka 572.

Vertreter für Frankreich:

Paris 10e, c/o Librairie du Travail, 17, rue de Sambre&Meuse.

Bei Bestellungen wende man sich an den nächsten Ländervertreter oder direkt an Antwerpen.

Demnächst erscheint Leo Trotzki:

Stalins Verbrechen

Durch freundliches Entgegenkommen des Jean Christophe-Verlags Zürich sind wir in der Lage, unsern Kunden und Freunden eine Anzahl dieses neusten, die Moskauer Prozesse und ihre Auswirkungen behandelnden Werkes Leo Trotzkis zu einem Spezialpreis von ungefähr 5- Schweiz. Fr. (statt 8.-) abzugeben.

Desgleichen sind wir in der Lage, die beiden Bücher von

Andre Gide: Rückkehr aus Sowjetrussland und Retuschen zu meinen Russlandbuch

zum Spezialpreis von 2.60 Schw. Fr. (statt 3.50) anzubieten.

Bestellungen für diese drei Werke sind zu richten an Dynamo-Verlag, Zürich-Fraumünster, Postfach 466, Schweiz.


Soeben erschienen

zum ersten Mal in deutscher Sprache, das neuste Standard-Werk von

Leo Trotzki:

Verratene Revolution

(Was ist die U.S.S.R. und wohin treibt sie?)

Preise: fr. Fr. 26,-; belg. Fr. 25,-; Kc. 25,-; Schw. Fr. 4,-; schwed. u. norweg. Kr. 4,-; engl. Sh. 4,-; pal. Piast. 20,-; holl. Fl. 1,60; dän. K. 4,50; Pengö 3,50; öster. Schil. 5,-; pol. ZI. 5,-; Dinar 40,-; Doll. USA 1,- alle anderen Länder.

Bestellungen beim Verlag:

Editions De Lee, Antwerpen

(Dynamo Verlag Zürich-Antwerpen-Prag). Antwerpen, Postbus 296

Bankkonto: Banque de Commerce. Antwerpen. Postscheckkonto Brüssel 92535

Der einzige Weg!

Mit dem Erscheinen dieser Zeitschrift verwirklicht sich der alte Plan der Schaffung eines trotzkistischen theoretischen und Kampforgans für das gesamte deutsche Sprachgebiet, herausgegeben von den dem Zentrum für die 4. Internationale angeschlossenen deutschsprachigen Organisationen gemeinsam mit dem internationalen Sekretariat. Gleichzeitig geben wir die Gründung eines einheitlichen deutschen Verlags der 4. Internationale, des Dynamo-Verlags, bekannt. Es fügt sich gut, dass an die Spitze dieser Zeitschrift ein Leitartikel gestellt werden kann, der ausgezeichnet ihre Aufgabe beschreibt: Verteidigung und Entwicklung, internationale Verwirklichung des Leninschen Bolschewismus!

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, wird die Zeitschrift bestrebt sein, zu allen Fragen des gesellschaftlichen Lebens Stellung zu nehmen und das Programm der 4. Internationale mit der nötigen demokratischen Freiheit allseitig zu besprechen, es zu entwickeln, zu präzisieren und anzuwenden.

Wir fordern unsere Freunde und Leser, die ernsthaft und positiv zur Lösung der vor uns stehenden Probleme entschlossen sind, auf, in der ihnen möglich und gut erscheinenden Weise an der Zeitschrift mitzuarbeiten und sie zu unterstützen. Der angesichts der Weltereignisse dringend-notwendige Aufbau von Kadern für die 4. Internationale macht diese politische, technische, materielle Mitarbeit zur Pflicht.

Die Menschheit steht vor der erbarmungslosen Entscheidung: Entweder Untergang in Faschismus und Barbarei – oder Umgestaltung der Welt durch die sozialistische Revolution. Wir sind uns bewusst, dass diese gewaltigste Aufgabe der Geschichte nur unter schweren Opfern in einer langen Reihe von Kämpfen und Revolutionen in allen Teilen der Erde gelöst werden kann.

Die Geschichte hat die Durchführung der sozialistischen Revolution in die Hände des Proletariats gelegt. Die lebendige Erfahrung und die Lehre des Marxismus-Leninismus zeigen, dass die Arbeiterklasse ihrer Aufgabe nur gerecht werden kann unter Leitung einer geschulten und kampfgestählten Partei, in der sich ihre besten Teile vereinigen.

In dieser für das Schicksal künftiger Epochen und Generationen entscheidenden Zeit ist das Proletariat führerlos. Die 2. Internationale brach 1914 schmählich zusammen. Die 3. Internationale ist als sozialistisch-revolutionäre Kraft unter Stalin in einem Meer vom Blut und Verrat untergegangen. Stalin und seine Kreaturen stehen längst gemeinsam mit dem Klassenfeind in der «Volksfront». Als dessen Polizeibüttel schlachten sie unter dem beifälligen Grinsen des Weltkapitals die Kampfgenossen Lenins und führen gegen uns, Lenins Erben, einen Vernichtungsfeldzug durch Verleumdung, Mord und bürgerliche Polizei.

Lenin entwarf 1902 in seinem Buch «Was tun?» den politischen und organisatorischen Plan der Oktoberrevolution. Die Redaktion wird sich vom Geiste dieses Buches leiten lassen. Ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis, und ohne revolutionäre Organisation keine siegreiche Revolution. Es handelt sich für uns heute darum, diese Lehren international durchzuführen.

Schaffen wir eine internationale leninistische Organisation von Revolutionären und wir heben die Welt aus den Angeln, wir errichten den Weltsozialismus!

Das ist das Ziel der 4. Internationale!

Das ist der einzige Weg für Deutschland, für Europa, für die Welt!

«Ich bin weit davon entfernt, die Notwendigkeit der populären Literatur für Arbeiter und der besonders populären (nur natürlich nicht der Boulevard-Literatur) für besonders rückständige Arbeiter zu leugnen. Aber mich empört dieses ständige Hineinziehen der Pädagogik in die Fragen der Politik und der Organisation. Ihr, die ihr so sehr um die «Durchschnittsarbeiter» besorgt seid, beleidigt ja eigentlich die Arbeiter eher durch euren Wunsch, euch unbedingt zu bücken, bevor ihr von der Arbeiterpolitik oder von der Arbeiterorganisation zu reden beginnt. Redet doch von ernsten Dingen in aufrechter Haltung und überlasst die Pädagogik den Pädagogen und verschont damit die Politiker und Organisatoren!»

Lenin 1902.

Leo Trotzki: Bolschewismus und Stalinismus.

: Brief an alle Arbeiterorganisationen.

: Zum chinesisch-japanischen Krieg.

Mitteilung der Redaktion: Genossen, helft unserer Zeitschrift durch Sammeln von Pressefonds und Werben von Abonnenten! Sendet uns Literatur» Informationen und Artikel aller Art. Redaktionsschluss der nächsten Nummer am 21. Dezember 1937.

Verantwortlich für die Schriftleitung: Walter Nelz, Postfach 466, Zürich-Fraumünster.

[Leo Sedow:] Die GPU mordet auch im Ausland.

Brief von Reiss.

«Revolutionär-sozialistische Elemente existieren trotz alledem in vielen Ländern. Diese marxistischen Elemente – und sollten sie zu Anfang numerisch noch so schwach sein – zusammenzuschließen, in ihrem Namen an die heute in Vergessenheit geratenen Lehren des revolutionären Sozialismus zu erinnern, an die Arbeiter aller Länder die Aufforderung zu richten, dass sie mit den Chauvinismen brechen und sich wieder unter dem alten Banner des Marxismus scharen – dies ist die Aufgabe des Tages!»

Lenin 1915.

Rettet unsere im Volksfront-Spanien verschollenen Genossen!

Wo sind Erwin Wolf und Hans Freund?

Erwin Wolf, tschechischer Staatsbürger, befand sich seit Mitte Mai 1937 als Korrespondent der Londoner «Spanish News» und norwegischer Zeitungen in Barcelonaer war aber niemals Mitarbeiter der «News Chronicle», wie irrtümlich behauptet wurde. Dort wurde er am 27. Juli verhaftet, kurz darauf aber wieder freigelassen und am 31. Juli, dem Tage seiner geplanten Abreise, wieder verhaftet und dann angeblich nach Valencia transportiert. Seither fehlt jede Spur von ihm. Alle Nachforschungen, u.a. die seiner Frau, der Tochter des norwegischen Abgeordneten Knudsen, waren erfolglos. Die spanische Regierung hat lediglich zugegeben, dass Wolf in Haft war, angeblich aber am 13. September entlassen wurde und seither verschwunden sei. Er ist für die GPU ein besonders interessantes Opfer, weil er 1935 in Norwegen Trotzkis Sekretär war. Wir fragen Stalin:

Stimmt es, dass Erwin Wolf in Barcelona zur Verfügung eines Gerichts sein soll und dass ein Prozess mit unbekannter Anklage gegen ihn vorbereitet wird?

Oder wurde Wolf nach Russland verschleppt??

Oder ist Wolf bereits ermordet, wie Nin nach seiner «Entlassung»???

Hans Freund befindet sich in ähnlicher Lage. Er arbeitete als deutscher Emigrant für die 4. Internationale in Genf, wo ihn Nicole aus der sozialistischen Jugend ausschloss. In den ersten Tagen des Bürgerkriegs eilte er nach Spanien, um dort für die Revolution zu wirken innerhalb der POUM und der trotzkistischen Gruppe, in Madrid und Barcelona. Er war Radiosprecher der POUM für deutsche Sendungen und Redakteur der trotzkistischen «Voz Leninista». Nur zufällig gelang es ihm zweimal, der Erschießung durch Stalinisten zu entgehen. Seit den Maitagen wurde er von der GPU eifrig gesucht und im Juli oder August mangels genügender materieller Mittel verhaftet. Seither hat man auch von ihm nichts mehr gehört.

Das sind nur zwei Fälle unter vielen. Andere Bolschewiki-Leninisten sind an der Front gefallen, wie Robert de Fauconnet, Mitglied der franz. POI, bei Huesca und René Pasque, Mitglied der belg. PSR bei Irun, und andere mehr.

Unsere Genossen sind als Kämpfer für den sozialistischen Sieg nach Spanien gezogen. Sie haben ihren Kampfwillen durch Einsatz des Lebens bewiesen. Nun werden sie aus dem Hinterhalt von Stalins Kugeln bedroht.

Alles für den Sieg des spanischen Volkes über Franco, der spanischen Arbeiter über die Kapitalisten und ihre Agenten!

Nieder mit den Katastrophenstrategen und Verrätern der 2. und 3. Internationale!

Es lebe die 4. Internationale!

[Bruno:] Die illegale Arbeiterbewegung Österreichs.

Ein Aufruf aus dem Wiener Gefängnis

An alle Genossen!

Angesichts der vollendeten Vorbereitung des imperialistischen Weltkriegs bekannten die Wiener Trotzkisten ihren Glauben an die proletarische Weltrevolution. Während der Stalinismus in Russland und Spanien unsere Genossen als «Faschisten» und «Konterrevolutionäre» einkerkert und ermordet, proklamierten wir Trotzkisten vor dem faschistischen Gericht unsere Ergebenheit an den revolutionären Kommunismus und wurden dafür zu langen Gefängnisjahren verurteilt. Die stalinistische Lüge ist zerfetzt, der Stalinismus ist entlarvt. Zum vierten Mal seit einem Jahr wurde unsere Zeitung «Bolschewik» von der Klassenjustiz verurteilt und wir übernahmen die Verantwortung ihrer Losung: «Der Feind steht im eigenen Land!» Selbst die faschistische Presse kann den revolutionären Kommunismus nicht mehr totschweigen. Lachend gehen wir ins Gefängnis., denn wir wissen, dass ihr alle die Fahne, die wir nicht mehr tragen können, noch viel höher schwenken werdet.

Es lebe der «Bolschewik»/

Es leben die «Revolutionären Kommunisten»/

Es lebe die neue Klassenpartei des österreichischen Proletariats!

Nieder die Opportunisten und Deserteure, die uns verrieten!

Nieder die Reformisten und Stalinisten!

Nieder die österreichische Bourgeoisie, ihre Polizei und faschistische Justiz!

Der Feind steht im eigenen Land! Nieder der imperialistische Weltkrieg!

Wir sind und bleiben Soldaten der Weltrevolution, Soldaten der 4. Internationale!

Die verurteilten Trotzkisten.

Wien, im Gefängnis, August 1937.

Bücherschau

The case of Leon Trotsky“

Karl Kautsky:

«Sozialismus und Krieg», (Orbis-Verlag Prag).

Karl Kautsky, der greise Renegat, empfand das Bedürfnis, ein Buch über den Krieg zu schreiben. Was bewog den Greis, dessen Name bei jedem revolutionären Arbeiter Abscheu und Ekel hervorruft, zur Feder zu greifen? Verschiedenes. Der imperialistische Weltkrieg naht heran. Kautsky hat den letzten erlebt, er hat den schändlichen Verrat der II. Internationale, das Überlaufen ihrer Sektionen in die Lager der verschiedenen «Vaterländer» gedeckt und beschönigt. Während die Sozialimperialisten in die Regierungen «ihrer» Bourgeoisien eintraten, saß Karl Kautsky in seinem Gelehrtenstüblein und braute famose Theorien, die den Verrat der Sozialpatrioten decken und die Imperialisten dazu bewegen sollten, künftighin in ihrem ureigensten Interesse keine Kriege mehr zu führen. Der alte Kautsky hat ein gutes Gedächtnis: er erinnert sich, dass weder der chauvinistische Rausch, noch der von ihm erzeugte theoretische Nebel verhindern konnten, dass die Erbitterung der Massen während des Krieges wuchs und sich gegen die Bourgeoisien und ihre Sozialpatrioten richtete. Schaudernd denkt der greise Renegat daran, dass auf einem Sechstel der Welt der imperialistische Krieg in den Bürgerkrieg verwandelt wurde und dieser die Bolschewiki zur Macht brachte. Zitternd erinnert sich Kautsky an die Zeit, da Spartakus kühn sein Haupt erhob und es der Sozialdemokratie nur mit Hilfe von Noskes gelang, das Proletariat niederzuwerfen, den Kapitalismus zu retten. Das darf nicht wiederkommen! Vor dem letzten imperialistischen Weltkrieg fanden Kongresse statt, die beschlossen, dass die sozialistischen Parteien, wenn der Krieg ausbräche, alles zu unternehmen hätten, um die kritische Lage der herrschenden Klassen für den Sturz auszunützen. Heute steht es bereits fest, dass die Parteien der II. und III. «Internationale» im Kriege die Länder «ihrer» Bourgeoisien verteidigen werden. Das genügt dem vorsichtigen Kautsky nicht. Er schreibt ein umfangreiches Buch, das den Sozialpatrioten während des Krieges und nachher gewissermaßen als Nachschlagewerk aller Verbrechen und Schamlosigkeiten, deren sich «Sozialisten» schuldig machen dürfen, dienen soll. Für Kautskys Buch – es zählt 700 Seiten – gilt, was Lenin über Bücher dieser Art zu sagen pflegte: einige Stellen genügen, um zu wissen, dass der Autor ein Konterrevolutionär ist. Man kann es nach Lektüre dieser Stellen zuschlagen und schärfstens verurteilen. Wir wollen nur einige Stellen aus Kautskys Buch zitieren und kommentieren: Kautsky schildert die verschiedenen politischen Strömungen, die es in der deutschen Sozialdemokratie gab. Er kommt zu den hemmungslosesten Chauvinisten. Über diese sagt er:

«Die eine dieser Gruppen umfasste die Nationalisten in der Partei (Soz. Dem.), die dem Grundsatz huldigten: right or wrong, my country. Mein Land mag recht tun oder unrecht, ich stehe stets zu ihm. Man kann nicht sagen, dass Leute dieser Art keine Sozialisten sein könnten.» (S. 442.)

Kautsky sagt dies nicht nur aus perverser Freude an nacktem, schamlosem Sozialpatriotismus, sondern er hat eine bestimmte Situation im Auge, in der es wichtig ist, daran zu denken, dass auch fanatische Chauvinisten «Sozialisten» sein können: wenn der imperialistische Krieg ausbricht, wird natürlich wieder jede Bourgeoisie erklären, dass sie «recht» und die Rivalin «unrecht» hat. Was sollen nun die Sozialpatrioten, die «ihr» Land verteidigen, weil es «recht» hat, von ihren Kollegen aus der «Internationale» denken, die das feindliche Land, das natürlich «unrecht» hat, verteidigen? Sollten einige Sozialpatrioten in Verlegenheit kommen, so brauchen sie nur das Buch des Altmeisters im Renegatentum über den Krieg anzusehen und sie wissen Bescheid: auch einer, der sein Land verteidigt, obwohl er weiß, dass es «unrecht» hat, kann ein Sozialist sein! – Während die reformistischen und stalinistischen Publizisten und Agitatoren sich unaufhörlich bemühen, dem Proletariat einzureden, der herannahende Weltkrieg werde kein Kampf zwischen imperialistischen Räubern, sondern ein Ringen zwischen Demokratie und Faschismus sein, weiß der alte, erfahrene Sozialpatriot Kautsky sehr gut, dass die «Internationale» im Krieg wieder zerfallen wird und dass auf beiden Seiten der imperialistischen Kriegsfronten «Sozialisten» stehen werden, die mit ihrer Bourgeoisie Burgfrieden geschlossen haben und das «Vaterland» schützen. Lassen wir Kautsky selber sprechen:

«Und selbst wenn sich der traurige Fall wiederholen sollte, dass die sozialistischen Parteien in den kriegführenden Staaten sich über eine gemeinsame Auffassung des Krieges nicht einigen und wenn jede abermals sich hinter die Regierung ihres Landes stellen sollte, braucht damit die Internationale nicht zur Unfruchtbarkeit verurteilt zu sein. Stets musste in den einander entgegenstehenden sozialistischen Parteien das Bewusstsein wach bleiben, dass im Frieden also im normalen Zustand der Gesellschaft die Proletarier aller Länder ihre Ziele nur erreichen können…»

Dazu können wir nur sagen: es ist eine wahre Lust, ein Sozialist zu sein! Man schießt im Kriege aufeinander, steht treu zu seiner Bourgeoisie, aber – welch erhebender Unterschied besteht doch zwischen einem gewöhnlichen und einem Sozialpatrioten! – man vergisst nicht, dass man, wenn der Krieg zu Ende ist, wieder von Internationalismus und anderen schönen Dingen auf Kongressen und Versammlungen sprechen wird!

Kautsky hat sein Buch über den Krieg nicht nur geschrieben, um den Sozialpatriotismus in jeder Situation zu rechtfertigen, sondern auch ein für ihn sehr erfreuliches Ereignis trieb ihn zum Schreiben an: der Tod der Komintern, als revolutionäre Organisation und der Sieg der entarteten Bürokratie über den Bolschewismus in der SU. Hören wir was Kautsky über die revolutionäre, unter Lenins und Trotzkis Führung stehende Komintern sagt:

«Diese dritte Internationale mit der Hauptaufgabe, die Arbeiterbewegung aller Länder zu spalten und dadurch zu schwächen, ist ein Ergebnis des Krieges, eine seiner schädlichsten Nachwirkungen». (S. 575).

Lenin ist tot. Trotzki wurde verbannt, die alte bolschewistische Garde zum größten Teil physisch ausgerottet. Es ist sicher interessant zu erfahren, wie der greise Renegat Kautsky über den Stalinismus denkt:

«Nicht Krieg gegen die Kapitalisten außerhalb Russlands, sondern Anbahnung reger geschäftlicher Beziehungen zu ihnen wurde das praktische Ziel der Beherrscher der Sowjetrepublik. Ihre antikapitalistischen Aussprüche stellten sich immer mehr als leere Redensarten heraus, die wohl imstande waren, naive Proletarier und Literaten zu begeistern, nicht aber irgendeinen erfahrenen kapitalistischen Politiker oder Geschäftsmann zu schrecken.»

Oder:

«Dass die Bolschewiki Abrüstung, Schiedsgerichte sowie den Völkerbund ablehnten, war selbstverständlich. Sie wollten ja keinen «Popenfrieden», sondern den Bürgerkrieg. Sie bekehrten sich zum Völkerbund erst, als sie der Idee der Weltrevolution den Abschied gegeben hatten.» (S. 554).

Wenn wir der als revolutionären Organisation längst gestorbenen Komintern einen Grabstein setzen wollten, könnten diese Kautskyworte als Inschrift dienen.

Bruno.

Kurznotizen

Der Kampf

die theoretische Zeitschrift Otto Bauers, ist seit einiger Zeit gezwungen, sich mit dem Trotzkismus auseinanderzusetzen. Austriacus besorgt das in eigener Weise. Nachdem er in der Augustnummer schrieb: «Es ist Stalins Schuld, dass die Linke in der internationalen Arbeiterbewegung verhängnisvoll geschwächt wurde» – von Otto Bauers Schuld spricht er nicht! – und kühn zur «Überwindung der stalinistischen Entartung» aufrief, denunzierten ihn die Stalinisten als «Trotzkist» und zogen aus, die RS (SP Österreich) von diesem Übel zu heilen. Nun lässt Austriacus in der Novembernummer einen zweiten Artikel folgen: «Was trennt uns (die RS) vom Trotzkismus?», worin er eine von Falschheiten und Unterschiebungen strotzende Polemik gegen uns entfaltet im Namen des übelsten Opportunismus, des faulsten Massen- und Einheitsdusels. Z.B.: Der Trotzkismus führt nach ihm in der Praxis «zu einer starren Rechthaberei und einer Politik im luftleeren Raum, die absolut nicht mit den gegebenen Kräften rechnet». Er, der als großer Stratege mit diesen Kräften selbstverständlich zu rechnen versteht, nennt die stalinistische Spanienpolitik «ganz recht», setzt Barcelona gleich Kronstadt und wirft Trotzki vor, dass er «in Barcelona eine proletarische Opposition gutgeheißen hat – die er und Lenin seinerzeit in Kronstadt niederkartätschen ließen.» Und so was nennt sich «revolutionärer Marxist». Wir setzen Barcelona gleich Spartakus und Stalin gleich Noske. Aus der Theorie der permanenten Revolution macht Austriacus selbstherrlich eine «Theorie der permanenten Revolutionsbereitschaft der Arbeiterklasse» und erledigt sie daraufhin im Handumdrehen mit den Worten: «Es ist nicht wahr, dass eine entschlossene Führung das Proletariat jederzeit in den Kampf führen kann – und soll.» Solchen Unsinn haben wir nie behauptet. Unsere Theorie ist dies nicht, Austriacus kämpft gegen Windmühlen. Und dann folgt die längst langweilig gewordene Legende, Trotzki sei nur ein verhinderter Stalin. «Er unterscheidet sich von ihm nicht in den Mitteln, seine politischen Ziele zu erreichen… Man kommt nicht darüber hinweg, dass Trotzki nur beklagt, was er selber verhindert ist auszuführen.» Hier wird die Dummheit zur Gemeinheit. Wir fragen Austriacus: Wann und wo hat Trotzki Moskauer Prozesse arrangiert? Wann und wo hat er gegen revolutionäre Kommunisten Terrorakte begangen, wie sie Stalin täglich begeht? Wann und wo hat er Archive gestohlen? Wann und wo hat er die ganze große Vergangenheit des Bolschewismus verleugnet und in den Dreck gezogen wie Stalin es tut? Wann und wo bekämpfte er seine Gegner mit der gewissenlosen Demagogie, ihnen das gerade Gegenteil dessen vorzuwerfen, was sie wirklich vertreten, wie es bei Stalins – und bei Austriacus, weil sie ihren politischen Untergang herannahen fühlen – Sitte ist? Wir haben das nicht nötig. Wir können uns den Luxus erlauben, jederzeit die unbedingte Wahrheit zu sagen und für absolut moralische Kampfmethoden zu plädieren, weil das historische Recht auf unserer Seite ist. Austriacus geben wir den Rat, den Marxismus und die Lehre von der politischen und theoretischen Gewissenhaftigkeit zu studieren, bevor er wiedermal über Trotzkismus handelt – seinen missleiteten Anhängern aber empfehlen wir, sich von den Austriacus und Otto Bauer endlich zu befreien.

W. O.

Ein halber Schritt.

Die Brandlerianer (IVKO) haben jahrelang die stalinistische Russlandpolitik kritiklos bewundert und noch den Sinowjew-Kamenew-Prozess und die ihm folgenden Erschießungen gebilligt. Sie sind als Anhänger der «Theorie des Sozialismus in einem Lande», wie die Bucharinisten, eine Strömung des Stalinismus, mögen ihre taktischen Maßnahmen so oder anders sein. Wenn sie nun unter dem Druck ihrer Anhänger gezwungen sind, lange nach dem Radekprozess von einer Krise in der Sowjetunion und von einer Krise des Stalinregimes zu sprechen (vergl. ihre neulich erschienene Broschüre: «Zur Krise in der Sowjetunion»), so ist das ein Anzeichen für die wachsende Zersetzung des stalinistischen Lagers und für die beginnende Umorientierung der fortgeschrittensten Arbeitermassen. Die innere Unkonsequenz und Halbheit der brandleristischen Kritik äußert sich darin, dass sie vor den Folgen einer Politik erschrecken, deren Grundlagen sie schaffen halfen und nach wie vor verteidigen.

W. O.

Russland: «Nicht weniger als 1980 Hinrichtungen sind allein für das letzte Vierteljahr offiziell zugegeben worden.» (Neue Zürcher Zeitung, 22. Nov. 1937, Mittag.)

Die KPD-Presse, «Deutsche Volkszeitung» Nr. 45 und «Internationale» Nr. 7-8, beginnt mit der öffentlichen Abschlachtung Willi Münzenbergs auf Grund seines Buches «Propaganda als Waffe». Es wird ihm u.a. vorgeworfen, zu wenig über die deutsche Volksfront und gar nichts gegen die Trotzkisten geschrieben zu haben. Denn: «Kann man im Jahre 1937 das Wesen der faschistischen Propaganda umfassend behandeln wollen, ohne zu zeigen, dass der Trotzkismus seine giftigen Propagandawaffen für das Arsenal des Herrn Goebbels liefert? Warum hat Münzenberg das darüber vorliegende reichhaltige Material bei seiner Materialsammlung vollständig vergessen?… Diese Fehler in Münzenbergs Buch hätten zweifellos vermieden werden können, wenn er das Buch vor seiner Veröffentlichung mit der Partei beraten hätte, wie das für einen kommunistischen Funktionär eigentlich selbstverständlich sein sollte… Fehler werden ganz besonders dann gefährlich, wenn man auf ihnen beharrt.»

Herausgeber: L. de Lee, Antwerpen.

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