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Allrussische Konferenz der SDAPR 1906

Die Allrussische Konferenz der SDAPR fand in Tammerfors vom 10. (3.) bis 20. (7.) November 1906 statt. Insgesamt waren 32 Delegierte anwesend, die sich wie folgt verteilten: 7 vom Bund, 5 von der Sozialdemokratie Polens und Litauens, 3 von der Sozialdemokratie Lettlands, 1 von Petersburg, 4 von Moskau und vom gesamten Zentralen Industriegebiet, 1 vom Wolgagebiet, 2 vom Donbecken, je 1 vom Nordwestlichen Verband, von der „Spilka" (Ukrainische Sozialdemokratische Organisation), von Kiew, von Odessa und vom Nordkaukasus, 3 vom Südkaukasus und 1 aus Mittelasien. Nicht erschienen waren 2 Delegierte: 1 vom Ural und 1 aus Sibirien. Die Mitglieder des Zentralkomitees und der Redaktion des Zentralorgans („Sozialdemokrat") nahmen mit beratender Stimme teil.

Bisher galt diese Konferenz in der Geschichte der Partei der Reihenfolge nach als die erste. Zur Zeit wird in der Literatur die Frage erörtert, ob es nicht angebracht sei, die Bezeichnung zu revidieren, da bei Aufrechterhaltung der alten Benennung die Zahl der wirklich stattgefundenen Konferenzen mit der angenommenen Zahl nicht übereinstimmt.

Es wurde folgende Tagesordnung der Konferenz beschlossen: 1. Die Wahlkampagne, 2. der Parteitag, 3. der Arbeiterkongress, 4. der Kampf gegen die Schwarzen Hundert und die Judenmassaker (Pogrome) und 5. die Partisanenaktionen. Zum ersten Punkt der Tagesordnung sprachen vier Referenten: Martow und Abramowitsch (vom Bund) traten für die Blocks mit den Konstitutionellen Demokraten ein, Lenin und Warski (von der Sozialdemokratie Polens) sprachen dagegen. Die Diskussion zu den Referaten dauerte zwei Tage, worauf mit 18 gegen 14 Stimmen die menschewistische Resolution angenommen wurde. 14 Delegierte (7 Bolschewiki, 4 Polen und 3 Letten) nahmen, um den Bolschewiki bei ihrer Arbeit in der Provinz Richtlinien zu geben, den Zwischenfall im Zusammenhang mit der Resolution des Bund zum Anlass, auf der Konferenz eine besondere, von Lenin verfasste Erklärung einzubringen, der die folgende, möglicherweise ebenfalls von Lenin verfasste Einführung vorangestellt war:

Die Delegierten des Bund haben der Konferenz eine Resolution vorgelegt, die fast restlos die Resolution des 7. Kongresses des Bund wiederholt und eine geschichtliche Wertung des Dumaboykotts zum Ausdruck bringt. Die unterzeichneten Delegierten der Konferenz haben sich bei der Abstimmung über diese Resolution aus folgenden Gründen der Stimme enthalten. Die Frage, warum wir in die Duma gehen, zu trennen von der Frage, wie wir dort hingehen, ist falsch und unmöglich. Die Anerkennung der Richtigkeit des Boykotts bedeutet, dass der grundlegende Charakter unserer ganzen Taktik bei der gegenwärtigen Beteiligung an den Wahlen absolut der gleiche bleibt, der er beim Boykott der ersten Duma war. Anerkennen, dass die konstitutionell-demokratische Mehrheit der ersten Duma die Tätigkeit der revolutionären Elemente hemmte, zugleich aber im ersten Stadium der Wahlen Abkommen zwischen den konstitutionellen Demokraten und den Sozialdemokraten billigen, heißt, die eigenen allgemeinen Postulate durch die eigene praktische Politik schlagen. Die Hegemonie der konstitutionellen Demokraten in der Agitation vor den Massen durch Aufstellung gemeinsamer Listen anerkennen und unterstützen und später diese Hegemonie in einer besonderen ergänzenden Resolution verurteilen – heißt die ganze Taktik und alle Prinzipien der revolutionären Sozialdemokratie auf die stärkste Weise kompromittieren. Aus diesen Gründen unterbreiten wir der gesamten SDAPR folgende besondere Meinung …"

Zum zweiten Punkte sprach nur ein Referent von den Bolschewiki – A. Bogdanow –, auf dessen Vorschlag eine Resolution über die Erwünschtheit der Einberufung des nächsten Parteitages spätestens Ende März (15. März alten Stils) angenommen wurde.

Ohne das Referat über den Arbeiterkongress zu diskutieren, erfolgte auf der Konferenz ein Meinungsaustausch über die Frage der Disziplin überhaupt, nach dessen Abschluss eine Resolution über die Grenzen der Agitation für den Arbeiterkongress angenommen wurde.

Nachdem ferner eine Resolution über die Einheit der Wahlkampagne und über die Finanzierung des Parteitages angenommen worden war, setzte die Konferenz wegen Zeitmangels alle übrigen Fragen von der Tagesordnung ab, beschloss, kein Protokoll, sondern nur einen kurzen Bericht herauszugeben, der unbedingt alle Resolutionsentwürfe und alle besonderen Meinungen enthalten sollte, womit das Zentralkomitee beauftragt wurde.

Das Zentralkomitee veröffentlichte jedoch im Zentralorgan („Sozialdemokrat" Nr. 7, vom 1. Dezember [18. November] 1906) lediglich die Resolutionen, unter Weglassung der besonderen Erklärung der Bolschewiki.

Die Resolutionen der Konferenz siehe hier

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