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Fünfte Konferenz des „Bund" 1903

Der 5. Kongress des Bund im Jahre 1903 arbeitete einen Organisationsplan für die SDAPR auf föderativer Grundlage aus. Dieser Plan wurde vom 2. Parteitag abgelehnt, und nach dieser Abstimmung verließen die Vertreter des Bund den Parteitag. [Ausgewählte Werke, Band 2]

Die Fünfte Konferenz des Bund" fand im Juni 1903 statt. Die wichtigste Frage der Tagesordnung war die Stellung des „Bund" innerhalb der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands. Diese Frage war angesichts des bevorstehenden Parteitags der SDAPR von besonderer Bedeutung. Auf diesem Parteitag sollten die organisatorischen Beziehungen zwischen der Gesamtpartei und dem „Bund" endgültig geregelt werden, die der Gegenstand einer ständigen Polemik zwischen dem „Bund", der die Föderation verteidigte, und der „Iskra", die für Autonomie eintrat, waren (siehe den Artikel „Braucht das jüdische Proletariat eine selbständige politische Partei"). Zur Frage der Stellung des „Bund" in der SDAPR hat der „Bund" auf seiner Konferenz zwei Statutenentwürfe (ein Maximalstatut und ein Minimalstatut) ausgearbeitet, die folgenden Wortlaut hatten:

Das Maximalstatut: § 1. Der „Bund" ist ein föderativer Teil der SDAPR. § 2. Der „Bund" ist eine sozialdemokratische, in ihrer Tätigkeit durch keine Gebietsrahmen beschränkte Organisation des jüdischen Proletariats und gehört der Partei als dessen einziger Vertreter an, wobei ein Auftreten im Namen des gesamten Proletariats eines bestimmten Gebiets, in dem neben anderen zur Partei gehörenden Organisationen auch der „Bund" tätig ist, nur zulässig ist, wenn der „Bund" daran teilnimmt. § 3. In das Zentralkomitee, das Auslandskomitee und zu den Parteitagen wählt der „Bund" seine Vertretung, die in allen Fragen, auf die sich die Kompetenz der Konferenzen des „Bund" erstreckt, als solche auftritt. Die Art der Vertretung muss auf den Grundsätzen beruhen, die für alle vertragschließenden Parteien gelten. § 4. Das Programm des „Bund" ist das allgemeine Parteiprogramm, das er in den Fragen, die durch die besondere Lage des jüdischen Proletariats in Russland und die Wechselbeziehung der sozialen Kräfte innerhalb der jüdischen Nation bedingt sind, durch besondere Punkte, die dem Parteiprogramm nicht widersprechen dürfen, zu ergänzen berechtigt ist. § 5. Der „Bund" hält seine eigenen Konferenzen ab, um über alle Fragen, die speziell das jüdische Proletariat betreffen, zu entscheiden, er hat sein eigenes Zentralkomitee und sein eigenes Auslandskomitee. § 6. Der „Bund" hat das Recht, gestützt auf das Parteiprogramm, über die allgemeinen Fragen zu beschließen, über die die Parteitage keine Resolutionen gefasst haben. Diese Beschlüsse gelten so lange, bis die allgemeinen Parteitage andere Entscheidungen über die betreffenden Fragen gefällt haben. § 7. Der „Bund" hat die freie Verfügung über die Angelegenheiten seiner Organisation. § 8. Der „Bund" hat das Recht, nicht nur in jüdischer, sondern auch in anderen Sprachen ungehindert seine Literatur herauszugeben. An das Proletariat einer anderen Nationalität kann der „Bund" sich nur mit Einverständnis der Organe der entsprechenden Teile der Partei, an das Proletariat des ganzen Landes nur mit Einverständnis des Zentralkomitees der Partei wenden. Anmerkung: Wendet sich eine andere der vertragschließenden Parteien an das jüdische Proletariat, so ist hierzu die Einwilligung des Zentralkomitees des „Bund" erforderlich. § 9-a. Der „Bund" hat das Recht, zeitweilige Vereinbarungen zu besonderen praktischen Zwecken mit revolutionären Organisationen zu treffen, die nicht zur Partei gehören und über die keine besonderen Bestimmungen des Parteitags oder des Zentralkomitees der Partei vorliegen, die solche Vereinbarungen verbieten. Von jeder solchen Vereinbarung macht das Zentralkomitee des „Bund" dem Zentralkomitee der Partei Mitteilung. Das gemeinsame Auftreten mit nichtsozialdemokratischen Organisationen in der Presse ist nicht zulässig. §9-b. Der „Bund" hat das Recht, wenn das Zentralkomitee der Partei ihm seine besondere Genehmigung dazu gibt, ständige Abkommen mit sozialdemokratischen Organisationen, die der Partei nicht angehören, zum Zwecke der gemeinsamen Durchführung bestimmter revolutionärer Arbeiten zu treffen. § 10. Der Parteitag hat das Recht, alle Beschlüsse der „Bund"-Konferenzen aufzuheben, mit Ausnahme der Beschlüsse, die genau auf Grund der vorliegenden Verfassung angenommen worden sind. Wenn nach der Meinung des Zentralkomitees der Partei irgendwelche Handlungen des Zentralkomitees des „Bund" den Beschlüssen der allgemeinen Parteitage widersprechen, so hat es (das Zentralkomitee der Partei) das Recht, Erklärungen von ihm zu fordern. § 11. Im Notfalle hat das Zentralkomitee der Partei das Recht, mit einzelnen Teilen des „Bund" direkt zu verhandeln, jedoch nur im Einvernehmen mit dem Zentralkomitee des „Bund". Wie diese direkten Beziehungen aufrecht zu erhalten sind, darüber entscheidet in jedem einzelnen Falle das Zentralkomitee des „Bund". § 12. Alle aufgezählten Punkte gelten als grundlegende und können nur im gegenseitigen Einvernehmen der vertragschließenden Parteien abgeändert, ergänzt oder aufgehoben werden. Dieser Statutenentwurf soll auf Beschluss der 5. Konferenz des „Bund" dem 2. Parteitag der SDAPR als Grundlage für die Erörterung der Frage der Stellung des „Bund" in der Partei vorgelegt werden.

Das Minimal-Statut: § 1. Zu diesem Punkt hat die 5. Konferenz beschlossen, dass alle Formulierungen, die im Sinne der Autonomie gefasst sind (zum Beispiel: „Der ,Bund' ist ein autonomer Teil der Partei"), unbedingt abzulehnen sind, d. h. dass die Ablehnung der Autonomie ein Ultimatum sein muss (die Annahme der Föderation ist dagegen kein Ultimatum). § 2. Der „Bund" ist eine sozialdemokratische, in ihrer Tätigkeit durch keine Gebietsrahmen beschränkte Organisation des jüdischen Proletariats und gehört der Partei als dessen einziger Vertreter an. § 3. In das Zentralkomitee, das Auslandskomitee und auf die Parteitage wählt der „Bund" seine Vertretung. Die Art der Vertretung muss auf den Grundsätzen beruhen, die für alle der Partei angehörenden Teile gelten. Anmerkung: Die Orts- und Bezirksorganisationen werden in dieser Hinsicht nicht als Teile der Partei betrachtet. § 4. Als Programm des „Bund" gilt das allgemeine Parteiprogramm. § 5. Der „Bund" hält seine eigenen Konferenzen ab, um über alle Fragen, die speziell das jüdische Proletariat betreffen, zu entscheiden, er hat sein eigenes Zentralkomitee und sein eigenes Auslandskomitee. § 6. Der „Bund" hat die freie Verfügung über die Angelegenheiten seiner Organisation. § 7. Der „Bund" hat das Recht, neben der Literatur in jüdischer Sprache auch ungehindert Literatur in anderen Sprachen herauszugeben. Zu diesem Punkt hat die 5. Konferenz des „Bund" beschlossen: Sollte zu § 7 die die Kompetenz des „Bund" beschränkende Korrektur gemacht werden: „An das Proletariat einer anderen Nationalität kann der ,Bund' sich nur mit Einverständnis der Organe der entsprechenden Teile der Partei wenden", so muss folgende Anmerkung ultimativ verlangt werden: „Wendet sich ein anderer Teil der Partei an das jüdische Proletariat, so ist hierzu die Einwilligung des Zentralkomitees des ,Bund' erforderlich. (Die Orts- und Bezirksorganisationen gelten in diesem Falle nicht als Teile der Partei.)" § 8. Der Parteitag hat das Recht, alle Beschlüsse der „Bund"-Konferenzen aufzuheben. § 9. Im Notfalle hat das Zentralkomitee der Partei das Recht, mit einzelnen Teilen des „Bund" direkt zu verhandeln, jedoch nur im Einvernehmen mit dem Zentralkomitee des „Bund". § 10. Alle aufgezählten Punkte gelten als grundlegende und können nur im gegenseitigen Einvernehmen der zur Partei gehörenden Teile abgeändert, ergänzt oder aufgehoben werden. Anmerkung: Die Orts- und Bezirksorganisationen gelten in diesem Falle nicht als Teile der Partei. (Es ist selbstverständlich, dass der „Bund" sich allen Beschlüssen des Zentralkomitees der Partei unterwirft, soweit sie einen allgemein-parteilichen Charakter tragen; überhaupt ist das Organisationsstatut der Partei auch für den „Bund" obligatorisch, mit Ausnahme natürlich jener Punkte, die dem besonderen, für den „Bund" angenommenen Statut widersprechen.) (Die Anmerkungen zu § 1 und 7, die in Fußnoten standen, sind der Bequemlichkeit halber in den Text der entsprechenden Paragraphen aufgenommen worden. Die Red.)

Als die Delegation des „Bund" die auf dem Parteitag herrschende Stimmung (gegen den Föderalismus und für die Autonomie) sah, wagte sie es nicht, den Maximalentwurf vollständig vorzulegen, sie kürzte ihn, indem sie z. В. § 1, den zweiten Teil des § 2 usw. wegließ, aber auch in dieser Form war der Maximalentwurf für den Parteitag unannehmbar. Daraufhin legte die Delegation des „Bund" das Minimalstatut – ebenfalls gekürzt (§ 1, der zweite Teil des § 3 usw. fielen weg) – vor. Aber auch in dieser Form lehnte der Parteitag den Entwurf ab, weil das Statut trotz aller Kürzungen auf den Prinzipien des Föderalismus und des Nationalismus aufgebaut war. Nachdem der 2. Parteitag § 2 des Minimalprogramms abgelehnt hatte, verließen die Delegierten des „Bund" den Parteitag (28. Sitzung, 18. August n. St.).

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