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Gruppe „Internationale“

Gruppe „Internationale“ – Gruppe der deutschen linken Sozialdemokraten während des Krieges, die sich in den ersten Kriegsmonaten um Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg , Franz Mehring, Clara Zetkin sammelten, deren Briefe an ausländische sozialistische Zeitungen („Labour Leader, Berner Tagwacht, Züricher „Volksrecht) die ersten Dokumente für das Vorhandensein einer kriegsfeindlichen Strömung innerhalb der deutschen Sozialdemokratie waren. Karl Liebknechts parlamentarische Tätigkeit und die Artikel Rosa Luxemburgs, Mehrings u. a. gaben der Gruppe die politische Richtung. Mit der Missstimmung in der SPD ging Hand in Hand eine Gärung innerhalb der Jugendorganisation, die die Zusammenfassung der linken Elemente erleichterte. Im Rheinlande, in Sachsen, in Württemberg und an der Wasserkante bildeten sich revolutionäre Gruppen, und in ganz Deutschland war die Empörung so stark, dass sie eine neue, selbständige Organisation der Elemente erforderte, die mit der sozialdemokratischen Führung und mit der patriotischen Politik des Parteivorstandes nicht einverstanden waren.

In der ersten Hälfte des Jahres 1915 treten die Anhänger von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg überall gemeinsam mit der Gruppe Ledebour auf. Im April 1915 erschien dann die einzige Nummer der Zeitschrift „Internationale“, durch die die Sammlung und ideologische Klärung dieser Gruppe erleichtert wurde.

Auf der ersten Zimmerwalder Konferenz im September 1915 war die Gruppe vertreten durch Ernst Meyer und Berta Thalheimer, die die Stellungnahme Karl Liebknechts nicht ebenso bedingungslos teilten, wie Julian Borchardt. Auf der Konferenz wurde jedoch ein Brief Karl Liebknechts verlesen, der die Zentristen als Überläufer charakterisierte und in dem Karl Liebknecht die Losung formulierte: Nicht Burgfrieden, sondern Burgkrieg. Auch ein Privatbrief Mehrings, der den Teilnehmern der Konferenz zur Kenntnis gelangte, betonte die Schädlichkeit jeder Versöhnung mit den Zentristen.

Bei der Besprechung des Verhaltens der – in ihrer Mehrheit aus Zentristen bestehenden – deutschen Delegation in Zimmerwald durch die Parteiorganisation des Großberliner Wahlkreises standen die Differenzen zwischen dem Zentrum und der Gruppe Internationale im Mittelpunkt einer heftigen Diskussion. Der Kampf um die Beherrschung der Berliner Organisation war für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg der Anstoß für die engere organisatorische Verbindung der Linken. Diesem Zweck diente eine Besprechung von Anhängern der „Gruppe Internationale“ aus allen Teilen des Reichs, die am 1. Januar 1916 in Karl Liebknechts Wohnung in Berlin stattfand. Die Auffassungen der Gruppe sind in den von Rosa Luxemburg formulierten und von der Konferenz angenommenen „Leitsätzen über die Aufgaben der internationalen Sozialdemokratie“ (abgedruckt auch in „Die Krise der Sozialdemokratie“ von Junius, München 1919) niedergelegt. Von da an gehört die Gruppe trotz der Differenzen, die in einer Reihe von wichtigen Fragen zwischen ihr und den Bolschewiki bestehen, zur Zimmerwalder Linken als einer ihrer wichtigsten Bestandteile. Die Vertreterin der Gruppe (Berta Thalheimer) nahm an der erweiterten Tagung der Internationalen Sozialistischen Kommission in Bern am 6.-8. Februar 1916 teil und legte dort die Leitsätze vor.

Nach dem Ausschluss Karl Liebknechts und seiner Anhänger aus der SPD fand eine neuerliche Beratung der Anhänger der Gruppe statt, die zwei Dokumente beschloss, die der Kienthaler Konferenz übermittelt wurden. Gleichzeitig mit der Konferenz erschien ein die Ereignisse behandelndes Flugblatt der Gruppe „Die Lehren des 24. März“, das zur Beitragssperre aufforderte, also faktisch die Spaltung vollzog. Diese durch die Umstände bedingte Entschlossenheit kommt auch in dem Verhalten der beiden Delegierten der Gruppe auf der 2. Zimmerwalder Konferenz in Kienthal zum Ausdruck.

Nach der Kienthaler Konferenz verschärfte sich der Kampf gegen die Gruppe Ledebour weiter, dessen Hauptschauplatz Berlin war, wo die Gruppe „Internationale“ den Wahlkreis Teltow-Beeskow-Storkow völlig in der Hand hatte. Das illegale Organ der Gruppe waren die mit „Spartakus“ gezeichneten „Politischen Briefe“, die der Gruppe später den Namen gaben. Der erste dieser Briefe „Die Dezembermänner von 1915“ kritisiert das Verhalten der Gruppe Ledebour-Haase bei der Abstimmung über die Kriegskredite am 1. Dezember 1915.

Das bedeutendste literarische Dokument dieser Zeit ist jedoch die Broschüre „Die Krise der Sozialdemokratie“ von Rosa Luxemburg (unter dem Pseudonym Junius, daher Junius-Broschüre), deren Kritik Lenin besondere Aufmerksamkeit widmete.

Die Gruppe „Internationale“, immer häufiger „Spartakusgruppe“ genannt, war auf der sozialdemokratischen Reichskonferenz am 22./23. September 1916 durch Käte Duncker vertreten, die dort eine Prinzipienerklärung verlas. Auf einer Konferenz aller oppositionellen Richtungen am 7. Januar 1917 gehörten von 157 Delegierten 35 der Spartakusgruppe an. Als Vertreter der Gruppe sprach nach dem Referat Haases Ernst Meyer.

Zu diesem Zeitpunkt war die Spartakusgruppe die einflussreichste Gruppierung unter den verschiedenen revolutionären Strömungen in der deutschen Arbeiterbewegung, da die andere mit den Arbeitermassen verbundene Organisation – die Bremer Linksradikalen – nach den Worten Paul Frölichs, eines ihrer aktivsten Mitglieder, „sich in ihrem praktischen Auftreten der Spartakusgruppe unterordnete“ (Paul Frölich, „10 Jahre Krieg und Bürgerkrieg“, Berlin 1925). Die Spartakusgruppe hatte aktiven Anteil an den großen Streikbewegungen im April 1916 und in Braunschweig im Herbst 1917. Leo Jogiches gelang es dann, das regelmäßige Erscheinen eines illegalen Organs der Gruppe, „Spartakus“, sicherzustellen, das neben der legalen Zeitung der Gruppe, dem „Kampf“ in Duisburg, und einigen kürzere oder längere Zeit mit der Gruppe verbundenen Organen für sie wirkte.

Die Stellung der Spartakusgruppe zu den von Lenin behandelten Grundfragen ist in zahlreichen Dokumenten niedergelegt, von denen das wichtigste die „Leitsätze“ sind, die sich – gleich den Artikeln der „Internationale“ – in vielen Punkten den Auffassungen Lenins und der Bolschewiki nähern. Das bezieht sich sowohl auf die Einschätzung des Krieges als eines imperialistischen als auch auf die Bekämpfung des „Burgfriedens“ durch die Losung Karl Liebknechts „Nicht Burgfrieden, sondern Burgkrieg“. Als Hauptlosung für die praktische Politik wird die Losung „Krieg dem Kriege“ aufgestellt. Auch in der Frage des Zusammenbruchs der Zweiten Internationale und der Notwendigkeit der Schaffung einer Dritten Internationale berühren sich die Auffassungen der Spartakusgruppe mit denen Lenins.

Eine restlose Übereinstimmung der Gruppe „Internationale“ und der Bolschewiki in den grundlegenden programmatisch-taktischen Fragen war allerdings nicht da. So enthalten die Leitsätze nicht die Losung des Bürgerkriegs, sondern folgendes Programm des Kampfes gegen den Krieg (These 8): „Das einzige Mittel, ihnen (den kapitalistischen Klassen) erfolgreich Widerstand zu leisten, und die einzige Sicherung des Weltfriedens ist die politische Aktionsfähigkeit und der revolutionäre Wille des internationalen Proletariats, seine Macht in die Waagschale zu werfen“. In dem unter der Überschrift „Aus Deutschland“ in Nr. 4 des Bulletins der ISK vom 22. April 1916 abgedruckten Dokument tritt die Losung des „Kampfes um den Frieden und des Druckes auf die Regierung“ an die Stelle der Losung des Bürgerkrieges. Es gab also in dieser Frage Schwankungen innerhalb der Gruppe. In einer anderen Grundfrage, der nationalen, weichen die Thesen von der bolschewistischen Auffassung ab und vertreten den bekannten Standpunkt Rosa Luxemburgs (These 5). Gegen diese Auffassung – die auch von der polnischen Linken, von den holländischen revolutionären Sozialisten und von einigen Bolschewiki (Pjatakow-Kijewski) geteilt wurde, polemisiert Lenin in einer ganzen Anzahl von Artikeln dieses Bandes („Über die Juniusbroschüre“, „Über eine Karikatur auf den Marxismus und über den ,imperialistischen Ökonomismus'“, „Die Ergebnisse der Diskussion über die Selbstbestimmung“, „Brief an Kiknadse“ usw.).

In der Frage der Parteispaltung und der organisatorischen Zusammenfassung der revolutionären Elemente wirkte die starke Bindung an die alte sozialdemokratische Partei hemmend. Wie vor dem Kriege die Linke trotz der zahlreichen Kämpfe, die sie mit der Parteimehrheit auszufechten hatte, sich nicht organisatorisch enger zusammenschloss und den Gedanken an eine Spaltung schärfstens bekämpfte, so schwankte sie auch während des Krieges. Bei aller Schärfe ihrer Kritik an den Zentristen wollten sie doch nicht mit ihnen brechen und stellten in ihrem Flugblatt „Die Lehren des 24. März“, das dem Ausschluss K. Liebknechts und seiner Anhänger aus der Berliner Organisation gewidmet war, neben der praktisch die Spaltung bedeutenden Losung der Beitragsverweigerung die Losung „Erobert die Partei“ auf, die den Kampf innerhalb der Partei zur Voraussetzung hatte. Der Zusammenschluss der Gruppe war eigentlich überall die Folge ihres Ausschlusses aus den sozialdemokratischen Organisationen. Lenin bezeichnet aus diesem Grunde das Verhalten der Spartakusgruppe in Organisationsfragen als einen Rückschritt im Vergleich zur Erklärung Otto Rühles. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 18, Anm. 100]

Die Gruppe „Internationale“, bekannt auch unter dem Namen „Spartakusbund“, begann sich sofort nach dem Kriegsbeginn herauszubilden Ihr Kern bestand aus K. Liebknecht, R. Luxemburg und Fr. Mehring, die später die Leiter der Gruppe waren. Zum endgültigen organisatorischen Zusammenschluss kommt es jedoch erst Anfang 1916, als K. Liebknecht und seine Gesinnungsgenossen aus der Sozialdemokratie ausgeschlossen werden. Die Gruppe legt sich die Bezeichnung „Internationale“ zu (nach der 1915 unter der Redaktion von F. Mehring erschienenen gleichnamigen Zeitschrift). Anfang 1916 nimmt auch die Gruppe die von Rosa Luxemburg ausgearbeiteten Leitsätze als Plattform an. Diese Leitsätze litten an allen jenen Mängeln, die den deutschen Linken eigen waren. Im Herbst 1917 beginnt die Gruppe die illegalen mit „Spartakus“ gezeichneten „Politischen Briefe“ herauszugeben (daher die Bezeichnung „Spartakusbund“). In der Einschätzung des Krieges als eines imperialistischen Raubkrieges, in der Ablehnung der Politik des „Burgfriedens“, in der Einschätzung der Politik der der II. Internationale angeschlossenen Parteien und des Zusammenbruchs der Internationale, in der Anerkennung der Notwendigkeit des Kampfes für eine neue, III. Internationale, in der Bekämpfung nicht nur des unverhüllten, sondern auch des verkappten, zentristischen Sozialchauvinismus – nahm die Gruppe eine internationalistische, jedoch inkonsequente Haltung ein. Es fehlte ihr die bolschewistische, Leninsche Folgerichtigkeit bei der Stellung und Lösung der Fragen. So war z. B. in der erwähnten, von R. Luxemburg geschriebenen Plattform statt von der Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg die Rede von der „politischen Aktivität des internationalen Proletariats“, vom „Kampf um den Frieden“ und vom „Druck auf die eigene Regierung“. Scharfe Differenzen hatte die Gruppe „Internationale“ mit Lenin und den Bolschewiki in der nationalen und kolonialen Frage. Die Gruppe vertrat hier den Standpunkt R. Luxemburgs und K. Radeks, den auch Bucharin und Pjatakow teilten. In organisatorischer Beziehung brach die Gruppe, ungeachtet aller scharfen Angriffe auf die offenen Sozialchauvinisten und Zentristen, nicht endgültig mit ihnen, sie stellte vielmehr die Losung auf „Erobert die Partei!“ Im März 1917 beratschlagt die Gruppe über ihren Anschluss an die von den Zentristen Kautsky, Haase und Ledebour gegründete „Arbeitsgemeinschaft“ und beschließt, sich als selbständige Organisation ihr und später der aus der „Arbeitsgemeinschaft“ hervorgegangenen Unabhängigen Sozialistischen [sic!] Partei beizutreten. Erst Ende 1918 überzeugt sich die Gruppe, dass sie dort nichts zu suchen hat. Gleichzeitig nimmt sie zwar an der Zimmerwalder Vereinigung teil, schließt sich jedoch der von Lenin geführten Zimmerwalder Linken nicht an. Erst jetzt, Ende 1918, bricht sie mit den „Unabhängigen“, nimmt sehr aktiven Anteil an der Organisierung des Gründungsparteitages der Kommunistischen Partei, der Ende Dezember 1918 zusammentritt, und wird nach dem Parteitag zum Kern der neuen Partei. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 5, Anm. 106]

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